100 Prozent Anders
und stammelte. „Oh, mein Gott, ich bin heute wohl mit dem linken Bein aufgestanden. Oh, nein, ist das peinlich. Oh, ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Tut mir leid, Frau Anders, nein, Herr Anders.“ – Mir auch! „JAAAAAAAAA“, und ich knallte die Tür zu.
Nach dem Frühstück schlenderten Nora und ich durch die Stadt. Wir wollten shoppen. Über den morgendlichen Vorfall konnten wir schon wieder lachen. Der Page hatte sicherlich einen weniger lustigen Tag.
Als wir gegen 14 Uhr ins Hotel zurückkamen, lief uns schon der Empfangschef entgegen. „Frau und Herr Anders, ja wo bleiben’s denn? Die Gäst sind schon do.“ „Hää, welche Gäste“, fragte ich. „Ja, die Stammgäst. Die kommen schon seit 30 Joahren in dieselbe Suite“, entgegnete er. „Ja, dann geben Sie ihnen doch einen Drink an der Bar aus. Wir sind in einer Stunde draußen“, sagte ich und schüttelte den Kopf. Klappte denn in diesem verfluchten Hotel gar nichts, was man uns zugesagt hatte?
Nora und ich packten in Windeseile unsere Koffer und legten unsere Kleidung, die wir auf der Reise anziehen wollten, ordentlich aufs Bett. Ab in die Dusche.
Ich trocknete mich ab und ging splitternackt in unser Schlafzimmer, um mich anzuziehen. Unser Bett war schon abgezogen, und das Zimmermädchen rannte in hektischer Betriebsamkeit umher. „Ticken Sie noch ganz richtig“, schrie ich in meinem Adamskostüm, „sofort raus hier.“ Sie starrte mich an und lief mit den Worten: „Er hat mich angefasst, er hat mich angefasst“, auf den Hotelflur.
Ich wusste nicht, ob ich lachen oder vor lauter Frust den Fernseher aus dem Fenster werfen sollte. Ich war fassungslos. Was für ein Scheißtag! Dieses Hotel würde uns garantiert nie wieder beherbergen …
Die Erfolgsserie von Modern Talking riss trotz kleinerer Krisen nicht ab. Dieter hatte in der Zwischenzeit den Song „Midnight Lady“ für Chris Norman geschrieben, der in der ARD als Titelsong einer Folge der Krimiserie „Tatort“ gesendet wurde. „Midnight Lady“ schoss von null auf eins in den deutschen Charts. Bei einem unserer Treffen kam Dieter zu mir und sagte: „Das ist mal ein Erfolg. Nicht so wie bei Modern Talking. Ich (mal wieder dieses ICH), ich bin aus dem Stand an die Spitze der deutschen Charts geklettert.“
Als die fünfte Modern-Talking-Single „Atlantis is Calling“ veröffentlicht wurde, ging die ebenfalls wie eine Rakete von null auf eins! Aus dem ICH wurde wieder das WIR! Dieter UND Thomas.
Wir sahen uns nur noch bei Pflichtterminen. Promotion im In- und Ausland. Ich empfand die Situation mit Dieter als unerträglich.
***
Irgendwann in dieser Zeit liefen Jack White und ich uns wieder über den Weg. Wir tauschten uns über die vergangenen Jahre aus, redeten auch über private Dinge. Jack erzählte mir beiläufig von einer Wahrsagerin, die er aus Los Angeles kannte, Karen Page, und wir vereinbarten einen Besuch bei Jack in München. Karen würde auch dort sein, und ich sollte mit ihr sprechen. Aber über was? Wie die Karriere von Modern Talking weiterging? Ob wir noch große Hits haben würden? Wie meine Zukunft aussah?
Nora und ich besuchten also Jack in seinem Haus in Grünwald und hatten ein Treffen mit Karen Page. Man darf sich das nicht als gruselig und mystisch vorstellen, keine Glaskugel und keine Räucherstäbchen. Alles war ganz „normal“. Karen verlangte nach einem Schmuckstück, das ich längere Zeit bei mir getragen hatte. Sie nahm es in ihre Hand, konzentrierte sich eine Minute und fing an zu reden. Sie fragte mich, was für mich besonders wichtig sei. „Karen, ich möchte wissen, ob ich mich von meiner Band trennen soll“, vertraute ich ihr daraufhin an. Ich wollte keinen Namen nennen, sondern so neutral wie möglich fragen. „Was meinst du mit Band?“, kam als Antwort. „Ich meine, ob ich mich von meinem Partner trennen soll. Wir haben große Erfolge, verstehen uns aber privat nicht. Was soll ich tun?“, wollte ich wissen. „Du wirst dich nicht trennen“, erwiderte Karen. „Er wird sich trennen!“
„Wie, er wird sich trennen?“ Ich fragte nochmals nach, da ich dachte, mein Englisch sei zu schlecht und ich hätte sie vielleicht falsch verstanden. „Er wird sich trennen“, wiederholte sie. Ich noch einmal: „Karen, ich bin der Sänger des Duos, er schreibt und produziert die Songs, und ICH bin unzufrieden. Macht es Sinn, dass ich beruflich neue Wege gehe?“ „Ich sage es dir noch einmal“, sagte Karen in ganz ruhigem Ton, „er
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