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100 Prozent Anders

100 Prozent Anders

Titel: 100 Prozent Anders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Anders
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vor Aufträgen nicht mehr retten und kaufte sich von ihrem ersten selbstverdienten Geld eine Strickmaschine.
    Um es kurz zu machen: Ethel belieferte einige Jahre später die größten Kaufhäuser Amerikas, und sogar „Harrod’s“ in London, mit ihren Pullovern und verdiente gutes Geld. Sie lebte in einem luxuriösen Appartement in Beverly Hills und genoss ihr Leben.
    Ethel war verrückt! Nora und ich liebten sie! Wir gingen einmal die Woche mit ihr essen und hatten immer eine großartige Unterhaltung. Einmal aßen wir im „Moustache Café“ in West-Hollywood. Das „Moustache Café“ war ein Restaurant, in dem bei gutem Wetter, also an mindestens 300 Tagen im Jahr, das Dach aufgemacht wurde, so dass man unter freiem Himmel saß. Zwischen Palmen und in sommerlichem Ambiente. An einem solchen Tag saßen wir draußen. Der Kellner kam und hielt die Menükarten in der Hand. Das Lokal stand unter französischer Leitung. Der Kellner begrüßte uns also mit französischem Akzent und sagte: „Oh, Mesdames et Messieurs, was für ein schön Nacht. Sternehimmel und ein Mondschein über Palmwedel. Kein Wolk, kein Regen. Oh, la la.“ Worauf Ethel ganz trocken meinte: „Hallo, junger Mann, wir sind nicht hier, um die Wetteransage zu hören! Ich hab Hunger, gib mir die Karte.“ Nora und ich waren sprachlos. So war Ethel, warum lange um den heißen Brei herumreden, wenn’s auch kurz und bündig ging?
    Ethel war der Knaller! Sie ließ das Essen, das sie nicht mehr verzehren konnte, immer als „Doggie Bag“, also als Futterpäckchen für zuhause, einpacken. „Aber hallo“, erklärte sie uns immer, „davon lebe ich noch zwei Tage.“ Ethel fuhr einen metallic-roten Chevy und drückte vor jeder Kurve auf die Hupe. Es hätte ja sein können, dass junge Rowdys mal wieder viel zu schnell durch Beverly Hills rasten. Man musste schließlich vorsorgen. Auch von Mode hatte Ethel eine besondere Auffassung. An ihren durch das Alter verkrümmten Fingern trug sie teuren Brillantschmuck. Ebenso liebte sie Farben. Einmal holten wir sie zum Essen ab – und Ethel war ganz in Orange gekleidet: orangefarbene Fingernägel, orangefarbener Lippenstift, ein orangefarbener Seidenpullover mit tiefem Dekolleté, eine orangefarbene Flatter-Seidenhose und goldene Pumps. Mit 78!
    Damit die Hose nicht so um die Knöchel schlackerte, hatte sie sich je einen goldfarbenen Haargummi auf Knöchelhöhe um die Hosenbeine gespannt. Jeder der beiden Gummis besaß aber auch ein goldenes Glöckchen (der verrückte Modedesigner Harald Glööckler hätte seine wahre Freude daran gehabt), und diese klingelten bei jedem ihrer Schritte. Als wir das Restaurant verließen, blickte der höchstens 22jährige Parkwächter auf Ethels Füße und fragte schmunzelnd: „Oh, was ist das denn?“ Ethel fühlte sich geschmeichelt, zückte ihre Visitenkarte und gab sie dem Parkwächter mit den Worten: „I designed it, Darling!“ Ich hätte mich wegwerfen können vor Lachen.
    Ethel kam uns auch einmal in Deutschland besuchen. Wir waren gerade auf unseren Bauernhof in der Nähe von Koblenz gezogen und luden sie über Weihnachten zu uns ein. Sie wolle zehn Tage bleiben, ließ sie uns vor ihrer Ankunft wissen. Am 22. Dezember stand ich also mit meiner Jaguar-Limousine am Frankfurter Flughafen und erwartete Ethel. Als sich die Schiebetür hinter der Gepäckkontrolle öffnete, traf mich beinahe der Schlag. Ich war es ja von Nora gewohnt, mit viel Gepäck zu verreisen. Aber die liebe Ethel übertraf sogar meine Frau. Ethel „schwebte“, natürlich mit Hilfe eines jungen Gepäckträgers, durch die Tür und hatte acht Koffer im Schlepptau. Für zehn Tage!
    Wir begrüßten uns stürmisch, und ich fragte sie, wozu sie denn so viele Koffer mithabe. „Darling“, erklärte sie mir, „es ist immer so kalt in Deutschland, und ich hab einfach vier Pelzmäntel, drei normale Wintermäntel, 20 Cashmere-Pullover und so weiter und so weiter eingepackt.“ Ich sah Ethel verwundert an und machte sie darauf aufmerksam, dass Deutschland in Mitteleuropa und nicht am Polarkreis lag.
    Logischerweise passten ihre Koffer nicht in meinen Wagen, und so fuhren wir eine halbe Stunde später in einer Kolonne mit zwei Taxen Richtung Koblenz.
    Zwei Jahre später saßen Nora und ich mit Ethel im „Beverly Hilton Hotel“ zum Sonntagsbrunch. Plötzlich fragte sie: „Und ihr, Darlings, fällt euch nichts auf?“ „Was soll uns denn auffallen? Du siehst entspannt aus“, antwortete Nora. „Darling, ich habe

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