100 Prozent Anders
ich mich auf sie, auf der anderen Seite ging sie mir aber schon nach ein paar Tagen auf den „Kittel“. Am ersten Abend hatte man sich noch einiges zu erzählen, am zweiten Abend ging man ins Restaurant zum Essen. Dort durfte ich mir dann wieder von ihr anhören, dass sich in Koblenz ja überhaupt nichts verändert habe und alles noch genauso spießig und langweilig aussehe wie immer. Am dritten Abend wünschte man sich schon die Abreise herbei. Unsere Beziehung war wie das Miteinander von guten Freunden: Man freut sich, wenn sie kommen, aber man freut sich auch, wenn sie wieder gehen.
Koblenz war nicht mehr Noras Welt. Sie liebte Los Angeles und Amerika. Ihr Schwärmen vom gelobten Land sollte aber einen großen Dämpfer bekommen. Nach ein paar Tagen in Deutschland fuhr ich sie und ihren Hund Cherri zum Frankfurter Flughafen. Nora wollte zurück nach Los Angeles fliegen. Als ich auf dem Rückweg auf der Autobahn Richtung Koblenz fuhr, war ich glücklich und traurig zugleich. Glücklich, weil ich wieder mein Leben führen konnte, so wie es mir gefiel. Ohne mich an Nora anpassen zu müssen. Und traurig, weil ich darüber glücklich war.
Am nächsten Morgen klingelte mein Telefon, und ich nahm schlaftrunken den Hörer ab. „Hallo, Bernd“, schluchzte eine Stimme am Telefon. „Ich lande in zwei Stunden in Frankfurt, holst du mich ab?“ Es war Nora! Was war passiert?
Das amerikanische Gesetz gibt vor, dass jeder ausländische Staatsbürger als Tourist nicht länger als 90 Tage in den USA bleiben darf. Man muss dann ausreisen und kann theoretisch am nächsten Tag wieder für 90 Tage einreisen. Nora war im eigentlichen Sinne Touristin, da sie nicht beim Einwohnermeldeamt registriert war und auch keiner Arbeit nachging. Den Titel „Vom Ehemann gesponserte Ehefrau“ gibt es beim amerikanischen Einwohnermeldeamt nicht.
Sicherlich war Nora in der Vergangenheit immer länger als 90 Tage am Stück in den Staaten geblieben. Allerdings war dies scheinbar keinem aufgefallen. Dieses Mal bekam sie dagegen die volle Härte des amerikanischen Gesetzes zu spüren. Man hatte sie am Flughafen von Los Angeles acht Stunden an der Passkontrolle festgehalten, ihren Reisepass beschlagnahmt und ihr die Einreise verweigert. Man stellte sie vor die Entscheidung, entweder mit der nächsten Maschine nach Deutschland zurückzufliegen oder die Nacht in Sicherheitsverwahrung zu verbringen. Die einzige Flugverbindung, die es an diesem Tag noch gab, war mit der Swissair über Genf nach Frankfurt.
Nora tat mir unendlich leid, als ich sie in Frankfurt in Empfang nahm. Ein Häufchen Elend auf zwei Beinen. Es lagen über 40 Stunden Reise und Verhör hinter ihr, und sie schlief fast einen ganzen Tag durch.
Am nächsten Morgen erzählte sie mir in Ruhe die ganze Geschichte. Ohne Frage, sie hatte sich im Sinne des amerikanischen Gesetzes falsch verhalten. Doch die Vorgehensweise der US-Einwanderungsbehörde war alles andere als menschlich. Wir fuhren am nächsten Tag zum US-Konsulat nach Frankfurt und führten ein Gespräch mit einem Konsulatsmitarbeiter. Er entschuldigte sich bei ihr und zeigte für das Benehmen seiner Landsleute wenig Verständnis. In Noras Reisepass stand aber nun ein schriftlicher Vermerk der Einwanderungsbehörde, was für mich ein Unding war. In unserer Gesellschaft gehört ein Reisedokument zu den wichtigsten Dingen überhaupt: Dieses Dokument wird von deutschen Behörden ausgestellt, gehört dem Staatsbürger, gibt Auskunft über seine Person, verschafft ihm die Freiheit, sich auf der ganzen Welt bewegen zu können – und irgend so ein Zolldepp aus Los Angeles kritzelte in Noras Fall mit seinem Filzstift auf der letzten Seite des Passes herum.
Egal, der Konsul stellte ihr ein Schreiben aus, dass sie das nächste Mal wieder problemlos in die USA einreisen dürfe.
Sieben Tage später waren wir wieder am Frankfurter Flughafen. Nora flog zurück nach Los Angeles. Auch bei dieser Einreise in die Vereinigten Staaten musste sie geschlagene drei Stunden bei der Einreisebehörde warten. Sie wurde befragt und durchgecheckt, und man vergewisserte sich, dass das Schreiben des Konsulats auch tatsächlich echt war. Alles sehr unwürdig und nervig! Am Ende aber war sie wieder in ihrem geliebten L. A. und froh, zuhause zu sein.
Einige Wochen später kehrte sie erneut nach Deutschland zurück und bat mich, mit ihr gemeinsam zurückzufliegen. Nora hatte einfach Schiss vor der Einreisekontrolle. Ich tat ihr den Gefallen.
Wir standen
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