100 Prozent Anders
also diesmal gemeinsam an der Passkontrolle des Flughafens von Los Angeles und wurden beide zum Verhör ins Office gebeten. Zwischenzeitlich war mein Englisch ziemlich gut, und ich machte bereitwillig meine Angaben. Ich erklärte, dass ich Künstler sei und viel reisen müsse und dass meine Frau in unserem Haus in Beverly Hills einige Monate des Jahres verbringen würde und so weiter …
Der Officer hörte mir zu, nahm die Pässe und verschwand. Eine Viertelstunde verging, dann eine halbe. Nach einer Stunde fragte ich, wann wir unsere Papiere zurückbekämen. Es vergingen anderthalb Stunden, dann waren es zwei. Langsam war ich genervt. Das ging ja schon in Richtung Willkür und hatte nicht die geringste Berechtigung. Nora versuchte mich zu beruhigen. „Bitte mach jetzt kein Theater. Die sitzen sowieso am längeren Hebel. Morgen denkst du gar nicht mehr daran“, sagte sie zu mir.
„Morgen ist morgen“, erwiderte ich, „jetzt ist jetzt. Ich bin zwölf Stunden geflogen, hab Hunger, bin müde. Vor allem aber bin ich ein guter deutscher Staatsbürger, der nichts falsch gemacht hatte.“ „Bitte beruhige dich“, flüsterte sie mir eindringlich zu, denn mein Gespräch mit ihr wurde von anderen Angestellten zur Kenntnis genommen.
Nach drei Stunden Wartezeit platzte mir der Kragen.
Es war mir egal, ob man mich abführen oder mir die Einreise in die Vereinigten Staaten verweigern würde. Ich war „pissed“! Ich ging zur Theke und verlangte, sofort den Officer zu sprechen. Er kam auf mich zu und fragte, was los sei. Da platzte es aus mir heraus: „Entschuldigen Sie bitte, ich bin stinksauer. Ich komme aus Deutschland, habe ein Haus in Beverly Hills, bezahle jedes Jahr Hunderttausende Dollar in Ihrem Land und werde behandelt wie ein Stück Scheiße. Ich gehöre nicht zu den illegalen Einwanderern, die versuchen, sich auf Kosten des Staates den ‚American dream‘ zu erschwindeln. Ich habe ein Recht, jetzt in mein Haus zu gehen, für das ich rechtmäßig Steuern zahle.“ Boah, jetzt ging’s mir besser. Was für eine unwürdige Situation, von einem solchen Behördenarsch grundlos festgehalten zu werden.
Und jetzt kommt’s. Ich war auf alles gefasst: sofortige Ausreise, Sicherheitsverwahrung, Verurteilung wegen Auflehnung gegen die Behörde, Entzug der Einreisegenehmigung, was weiß ich. Ich hatte Nora schon mal vorsichtig darauf hingewiesen, dass sie die Telefonnummer unseres Anwalts aus ihrem Adressbuch heraussuchen sollte. Der Officer aber nahm unsere Pässe, drückte sie mir in die Hand und sagte: „Sorry, hier sind Ihre Pässe, und wir sind stolz darauf, Sie in unserem Land als Gäste zu begrüßen.“ Aha, ging doch!
Ich hatte mit allem gerechnet, aber nicht damit.
Was für eine absurde Situation. Ich will ehrlich sein, ich kann es bis heute nicht verstehen. Was ich aber sehr wohl verstanden hatte, das war, dass Nora immer wieder aufs Neue auf diese unwürdige Art und Weise in die Staaten würde einreisen müssen. Es musste eine Lösung her!
Die Lösung hieß: Green Card. Die Green Card ist eine lebenslange Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis. Also kein 90-Tage-Turnus mehr, sondern reisen, wann immer man möchte. Es ist nicht leicht, eine Green Card zu bekommen. Durch meinen Künstlerstatus hatte ich jedoch größere Chancen. Ich nahm mir einen Anwalt – und für Nora und mich wurde die Green Card beantragt. Das klingt jetzt einfacher, als es in Wirklichkeit war. Es ging hier nicht um eine Fleurop-Kundenkarte. Von Antragsabgabe bis zur Genehmigung der Green Card vergingen fast zwei Jahre, aber während dieser Zeit war man bei der Behörde schon registriert. Nora legte sich während ihres nächsten Aufenthalts in Deutschland einen neuen Pass zu und hatte ab sofort keinerlei Einreiseprobleme mehr.
Ich wiederum fühlte mich in meiner neuen Wohnung in Koblenz immer wohler und war zufrieden. Sie war groß und hell und bot mir genügend Luxus. Ich war im Grunde „Single“ und genoss meine Freiheiten.
Zu dem Keyboarder aus meiner Band entwickelte sich eine enge Freundschaft. Mimmo war Italiener, genauer gesagt, Sizilianer, und lebte in Hamburg. Er besuchte mich immer wieder, und wir beide schrieben Songs zusammen, die ich teilweise auch auf meinen Alben veröffentlichte. Ich hatte mittlerweile einen Vertrag bei der Polydor in Hamburg. Und wie das Schicksal nun mal so spielte, hieß der Geschäftsführer Götz Kiso. Unter Götz sollte ich insgesamt fünf Alben aufnehmen.
Mimmo rief mich also eines Tages an
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