100 Prozent Anders
erblickte anstelle von Streuselkuchen zunächst mal eine braungebrannte Schönheit im Bikini auf der Terrasse. Für Frau Hornemann bestand Handlungsbedarf. Damit ihre Trauergäste auf meiner Terrasse nicht auf die fremde Person schauen mussten, machte sie kurz entschlossen die Schiebefenster einfach zu, ließ innen die Lamellen runter – und draußen das arme Mädel in der Gluthitze schmoren. Mimmos Freundin machte sich dann nach einer gewissen Zeit bemerkbar, wurde von meiner Haushälterin auch notgedrungen in die Wohnung gelassen und schloss sich im Gästezimmer ein. Nachdem die Trauergemeinde meine Wohnung verlassen hatte, wurde neu eingedeckt und alles für die Abendveranstaltung hergerichtet. Denn es kamen später nochmals etwa 14 Gäste, denen mein Champagner köstlich geschmeckt haben muss. Es fehlten nämlich acht Flaschen.
„So“, sagte Mimmo, „das ist die Geschichte.“ Hätte es ein Überschallauto gegeben, ich hätte sofort eines gekauft. Ich war außer mir. Fassungslos, sprachlos, sauer, enttäuscht, angewidert, einfach platt! Damals hatte man noch keine Handys, und ich versuchte von jeder Raststätte aus zuhause anzurufen, denn ich musste Frau Hornemann zur Rede stellen. Leider schlugen alle Versuche fehl, mein Festnetzanschluss in der Wohnung war permanent besetzt. Was meine Wut nur noch größer machte!
***
Nach etwa vier Stunden Fahrt, wir waren schon fast in Koblenz, erreichte ich Frau Hornemann endlich. „Ja, hallo“, meldete sie sich. „Hallo, Frau Hornemann, ich bin’s.“ „Hallo, Bernd, wie geht’s Ihnen?“, wollte sie wissen. „Mir geht’s gut. Und Ihnen?“, fragte ich zurück. „Ach, na ja, wie geht es einem nach der Beerdigung seiner Mutter“, klagte sie. „Mmm“, murmelte ich, „ist wirklich traurig. Gibt es was Besonderes? Wollen Sie mir etwas sagen?“ „Nein, alles gut. Wann sind Sie denn zurück?“, fragte sie. „Wenn alles läuft, so in einer Stunde. Bleiben Sie bitte so lange. Ich möchte Sie noch sehen“, war meine Antwort.
Was für ein falsches Spiel sie spielte. Nichts kam von ihr. Sie musste doch wissen, dass sie ertappt würde. Wie kann man als Mensch jegliche Realität ausblenden. Hätte sie gesagt: Ich hab was total Blödes gemacht, es tut mir leid, ich war überfordert oder irgendetwas in der Art, so dass ich hätte erkennen können, dass sie ihren Fehler eingesteht. Aber nein, nichts!
Ich kam nach Hause und stellte sie zur Rede. Sie beteuerte, dass es ihr leid täte und dass es nicht so gewesen sei, wie es aussehe. Aha, wie war es denn dann? Fremde Menschen trafen sich in meiner Wohnung zum Leichenschmaus auf meine Kosten. Oh nein, Frau Hornemann! Der Krug geht zum Brunnen, bis er bricht – und hier lagen 1 000 Scherben.
Ich nahm ihr den Wohnungsschlüssel ab und sagte ihr, dass ich sie in den kommenden Tagen nicht sehen wolle. Ich würde mich melden.
Sie rief mich ein paar Tage später unter Tränen an und bat um Entschuldigung. Sie tat mir leid, und ehrlich gesagt, trotz all ihrer Macken und ihrer unverzeihlichen Geschichten hatte ich mich im Laufe der Jahre an sie gewöhnt. Dennoch, mein Vertrauen zu ihr hatte einen tiefen Riss bekommen. Da gab es kein Zurück mehr. Ab sofort durfte sie nur noch in meiner Anwesenheit in der Wohnung arbeiten. Den Schlüssel gab ich ihr nicht mehr wieder.
***
Etwa ein Viertel Jahr später, es war ein verlängertes Wochenende über den 3. Oktober, fragte sie mich, ob sie zwei Tage Urlaub nehmen könne, da sie mit ihrem Partner verreisen wolle. Für mich war das kein Problem, und selbstverständlich gab ich ihr frei.
Es war besprochen, dass sie dienstags wieder zur Arbeit kommen sollte. Ich musste mich gut organisieren, da sie ja keinen Haustürschlüssel mehr hatte und ich ihr öffnen musste. Der Dienstag verging, und Frau Hornemann erschien nicht. Aha, dachte ich. Vielleicht verbrachte sie ein paar schöne Tage und kam dann morgen. Es wurde Mittwoch und Donnerstag, der Freitag verging – keine Frau Hornemann weit und breit. Am Samstag klingelte dann bei mir das Telefon. Am anderen Ende war ihr schon sehr betagter Vater, der fragte, wo seine Tochter sei. Ich wusste es nicht. Ich erzählte ihm, dass sie wohl für ein paar Tage verreisen wollte und dass ich seitdem von ihr nichts mehr gehört habe. Es vergingen der Sonntag und der Montag. Am Dienstag, also eine Woche später, klingelte es an meiner Wohnungstür. Ich lugte durch den Türspion, erkannte zwei Männer in Uniform und öffnete. „Guten Tag, Herr
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