100 Prozent Anders
Anders, Polizei Koblenz, dürfen wir reinkommen?“, fragte einer der Polizisten.
„Ja. Selbstverständlich“, sagte ich, ohne die geringste Ahnung zu haben, was die beiden von mir wollten. „Möchten Sie etwas trinken?“, fragte ich. Ich bin ein Mensch, der nicht sofort in Schockstarre verfällt, wenn er sich mit der Polizei konfrontiert sieht. Ich habe Respekt, einen gesunden Respekt. Es sind Menschen wie alle anderen auch, die ihren Job machen, und ich bin jemand, der seine gesellschaftlichen Pflichten, aber auch seine Rechte kennt. Was soll mir passieren? Ich versuche immer, mich den gesellschaftlichen Normen entsprechend zu verhalten. „Nein, danke“, sagte einer der beiden, „ist auch nur kurz. Arbeitet eine Frau Hornemann bei Ihnen?“ „Ja“, antwortete ich. „Ist was passiert?“, wollte ich wissen. „Wir wissen es nicht. Sie sind wahrscheinlich die letzte Person, die Frau Hornemann lebend gesehen hat.“ „Was?“, rief ich aus, „was heißt lebend gesehen?“ „Na ja, sie ist verschwunden. Wir wurden angehalten, ihre Wohnung gewaltsam zu öffnen, da der Briefkasten überquoll und man sie in den vergangenen Wochen nicht mehr gesehen hatte. In der Wohnung lag auch ein Berg ungeöffnete Post“, erklärte mir der Polizist.
Ich musste mich setzen. Was war das denn jetzt schon wieder für eine Aktion von Frau Hornemann? Ich erzählte den Polizisten, was ich wusste. Die beiden bedankten sich und gingen. Oh Mann, Frau Hornemann, was haben Sie denn jetzt schon wieder angestellt???
Zwei Tage später rief sie an, als wäre es das Normalste von der Welt. Ich stellte sie zur Rede. „Ach, Bernd, Sie wissen ja gar nicht, was passiert ist. Ich war mit meinem Bekannten unterwegs, und wir hatten einen Autounfall.“ „Autounfall?“, fragte ich schon leicht genervt. „Ja, einen Autounfall, und ich lag vier Tage im Krankenhaus“, behauptete sie rotzfrech. „Vier Tage? Krankenhaus? Aha“, bemerkte ich sarkastisch. Und weiter: „Sagen Sie mal, Frau Hornemann, wie hieß denn das Krankenhaus, in dem Sie vier Tage lagen?“ Stille am anderen Ende der Leitung. „Ach, Mensch, wie hieß das gleich noch mal? Also, gibt’s das? Manchmal hat man ja so einen richtigen Blackout“, stammelte sie. „Frau Hornemann, Sie liegen vier Tage in einem Krankhaus und kennen nicht mal dessen Namen?“ Ich war gereizt. „Ach, wissen Sie“, fuhr ich fort, „ich glaube einfach, das war es jetzt mit uns beiden. Sie werden sich nie ändern, und ich habe keine Lust mehr auf Ihre ewigen Lügengeschichten. Es reicht! Leben Sie Ihr Leben, und ich lebe meins, aber ohne Sie. Alles Gute!“ Damit beendete ich das Gespräch – und die Zusammenarbeit mit Frau Hornemann.
Nora war in Amerika, und ich wollte mich in Deutschland voll auf meine Musik konzentrieren. Ich nahm verschiedene Alben auf, aber keines schaffte in Deutschland den Sprung in die Charts. Ich weiß nicht, woran es lag. An den Songs definitiv nicht. Meine Titel waren gut. Ob es die großen Hits waren, ist immer eine Geschmacksfrage, und letztlich hängt der Erfolg auch immer vom berühmten Quentchen Glück ab. Ich hatte aber ein regelrechtes Stigma: Modern Talking. Mein Gesicht war „verbraucht“. Die Öffentlichkeit gab mir keine Chance, um zu zeigen, dass ich auch andere Songs singen konnte, und die Medien erst recht nicht.
Ein Radiopromoter hatte einen Termin beim Südwestrundfunk in Baden-Baden. Er stellte dort neue Songs vor, damit sie auf die Playlist kamen, also regelmäßig gespielt wurden. Er verwendete bei mir ganz bewusst eine sogenannte „Weißpressung“, was bedeutete, dass mein Name nicht auf der CD stand. Nach dem Abspielen des Titels fragte ein Verantwortlicher von SWR 3: „Das klingt ja richtig klasse. Wer singt denn den Song?“ „Hör’s dir doch noch mal an“, sagte der Radiopromoter. Der Mensch vom Radio spielte den Titel noch ein zweites Mal und war wieder total begeistert. „Ein klasse Lied! Super gesungen. Komm, sag schon, von wem ist das?“, drängte er. „Das ist die neue Single von Thomas Anders“, schmunzelte der Promoter. „Der Künstler findet bei uns nicht statt“, lautete der trockene Kommentar des Radiochefs. Er nahm die CD und warf sie in den Mülleimer.
Diese Reaktion machte hilflos und wütend. Was hatte ich getan? Ich hatte Musik gemacht, welche die Menschen geliebt und gern gekauft hatten. Und das millionenfach weltweit. Und plötzlich wollten sowohl die Medien als auch die Öffentlichkeit nichts mehr von mir und
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