1.000 Euro für jeden
32 Prozent.
Arbeit – ein Erfolgserlebnis weit
über die Bezahlung hinaus
Aus Sicht der Unternehmer war eine Veränderung der Arbeitsstrukturen unumgänglich. Der wachsende Widerstand gegen die Monotonie der täglichen Arbeit äußerte sich neben Streiks und Sabotageakten auch in hohen Kündigungsraten, Krankentagen, unentschuldigtem Fernbleiben (in der Automobilindustrie hatten sich die Fehlzeiten im vorausgegangenen Jahrzehnt verdoppelt) und höheren Fehlerquoten. Auf einmalwurden Unternehmer zu Verfechtern einer »Humanisierung der Arbeitswelt« – mit dem eigentlichen Anliegen, die Produktivität zu steigern. Sie erkannten: Wer sich wohl fühlt, leistet mehr.
Man begann, sich mit den Theorien des amerikanischen Verhaltensforschers Abraham Maslow zu beschäftigen, der bereits in den 1950er Jahren versucht hatte, die Bedürfnisse des Menschen in einer Skala zu erfassen: der »Bedürfnispyramide«. Ihr zufolge bauen die menschlichen Bedürfnisse stufenweise aufeinander auf: Zuerst geht es um körperliche Bedürfnisse (Essen, Kleidung, Wohnung oder Gesundheit), dann braucht man Sicherheit (des Einkommens, des Arbeitsplatzes, im Alter oder bei Krankheit), als Drittes sucht man soziale Kontakte (mit KollegInnen oder durch Mitsprache), als Viertes folgt das Bedürfnis nach Anerkennung (durch KollegInnen oder Vorgesetzte in der Öffentlichkeit), und erst wenn alle diese Bedürfnisse befriedigt sind, wird die Selbstverwirklichung wichtig (durch interessante Arbeit, wachsende Kenntnisse oder Verantwortung).
Die Konsequenz aus Maslows Skala: Da der wachsende Wohlstand zu einer Befriedigung der ersten beiden Grundbedürfnisse (körperliche Versorgung und Sicherheit) geführt hatte, ging es bei der Arbeit nunmehr vorrangig um soziale Kontakte, Anerkennung oder gar Selbstverwirklichung. Das stand in krassem Gegensatz zu den Arbeitsbedingungen am Fließband, die nach Taylor nicht nur das Denken, sondern auch jede Art von Kollegialität ausschließen sollten.
Heute, vierzig Jahre später, kann man sich nur schwerlich vorstellen, welch komplexe Diskussionen die Frage nach der Ausgestaltung der Arbeitswelt nach sich zog. Wochenlang debattierten Fachleute unterschiedlichster Couleur in den Wirtschaftsteilenund Feuilletons renommierter Medien. 1973 reisten Vertreter von über 200 Unternehmen aus den ganzen USA zu einer Konferenz nach Chicago; das amerikanische Ministerium für Erziehung und Gesundheit (HEW) gab eine Studie in Auftrag, die ergab, dass nur 43 Prozent aller Angestellten, nur 24 Prozent der Arbeiter und sogar nur 16 Prozent der ungelernten Arbeiter ihren Beruf noch einmal wählen würden. Schuld an dieser weitverbreiteten Arbeitsunlust sei, so die Verfasser der HEW-Studie, der »Taylorismus«. Vor allem jüngere Arbeiter, mit besserer Schulausbildung als ihre älteren Kollegen, waren von der Fließbandarbeit unterfordert und gelangweilt, erlebten sie als entwürdigenden Drill. Sie fühlen sich laut HEW-Studie in ihrem »Selbstwertgefühl missachtet«.
Die HEW-Studie bestätigte Maslow: Mehr als 1500 Beschäftigte aus verschiedenen Industriezweigen sollten 25 Kriterien zur Beurteilung ihres Arbeitsplatzes nach Wichtigkeit sortieren. Das Ergebnis der Befragung: An der Spitze der Rangliste stand »interessante Arbeit«; auf den Plätzen folgten »genügend Unterstützung«, mehr »Information« und »Selbständigkeit bei der Arbeit«. »Gute Bezahlung« rangierte erst an fünfter, »Schutz vor Entlassung« an siebter Stelle.
Das Umfrageergebnis zeigte, dass der überwiegende Teil der ArbeitnehmerInnen ein ausgeprägtes Bedürfnis nach einer Tätigkeit hatte, die über die Bezahlung hinaus ein Erfolgserlebnis bietet – das Gefühl, in eigener Verantwortung »etwas zu produzieren, das auch für andere von Wert ist« und das zugleich zu höherem Ansehen innerhalb der Gesellschaft verhilft.
Freiraum, um schöpferisch tätig zu werden
Diesen Satz kennen wir aus der Pädagogik und der Psychologie, ja aus der ganzen menschlichen und individuellen Entwicklungsgeschichte. Spät erst und nur vereinzelt ist er auch zur Krisenbewältigung und Produktivitätssteigerung in die Unternehmen eingezogen.
Der schwedische Autokonzern Volvo ging, öffentlich vielbeachtet, genau diesen Weg. 1974 verkündete die Konzernleitung, dass man die Fließbandfertigung zugunsten eines völlig neuartigen Systems aufgebe – der Gruppenarbeit –, und ließ sich die Idee in vierzig Ländern schützen, um sich dadurch einen erhofften
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