Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

1.000 Euro für jeden

Titel: 1.000 Euro für jeden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Götz W. Adrienne; Werner Goehler
Vom Netzwerk:
in der Produktion zu einer enormen Mehrbelastung der Arbeiter, die durch monotone Arbeit körperlich und psychisch stärker erschöpft wurden. Die Produktivitätssteigerung führte außerdem nicht zu einer Steigerung der Löhne, was die Arbeitsunzufriedenheit verstärkte. Bis in die 1960er Jahre ließen sich die Menschen die beschwerlichen Arbeitsbedingungen in den Fabriken weitestgehend gefallen. Offenbar erlebten sie den Zuwachs an Wohlstand, der sich durch die günstigen Industriewarenergab, als ausreichenden Gegenwert. Doch die anfängliche Begeisterung für die revolutionären Fertigungsmethoden ebbte schnell ab; in der Kunst und Literatur häuften sich kritische Darstellungen. Filme wie Chaplins »Modern Times« oder Fritz Langs »Metropolis« (1927), die die unmenschlichen Arbeitsbedingungen in den automatisierten Betrieben schon Jahrzehnte zuvor thematisiert hatten, wurden verstärkt rezipiert. Auch Huxleys »Brave New World« (1932) fand nun erst weltweite Aufmerksamkeit – verbunden mit dem Erscheinen eines Essaybands mit dem Titel »Brave New World Revisited« (1958), in dem Huxley seine Anklage der Industriegesellschaft noch zuspitzte. In »Brave New World« zeichnete er eine bizarre Vision, in der die Menschen selbst in Massenproduktion gefertigt werden und speziell für ihre Rolle im großen Maschinensystem konstruiert sind. In der neuen Welt existiert ein ausgeklügeltes Kastensystem aus Alpha- bis Epsilon-Menschen, in dem nur die Alphas und Betas individuelle Personen und alle Übrigen geklonte Produktionssklaven sind. Nach der »Geburt« werden alle Menschen entsprechend ihrer Produktionskaste konditioniert; Bildung im humanistischen Sinne ist verboten; es gibt allein eine auf die Nützlichkeit der automatisierten Gesellschaft ausgerichtete Wissensvermittlung. In Zeiten fundamentaler Gesellschaftskritik wurde der Roman zum Spiegel populärer Ängste: Wie lange würde es noch dauern, bis die arbeitende Bevölkerung völlig zur automatisierten Maschine degradiert würde?
    Erste Ansätze der Humanisierung
von oben
    In diesen bewegten Jahren entstanden erste vorsichtige Versuche zur Humanisierung der Arbeitswelt. Die Unternehmer mussten stärkeren Unmut in der Belegschaft verhindern. Maßnahmen machten Schlagzeilen, die uns heute mehr als selbstverständlich erscheinen: Die Daimler-Benz AG eröffnete im Sommer 1962 auf der Schwäbischen Alb ein Ausbildungszentrum für ihre Betriebsangehörigen, dort sollte »die offene menschliche Begegnung« stattfinden und ein echter »Bildungsauftrag« – im Sinne »einer Hilfe zur Teilnahme am ganzen Leben«. Die Medien begrüßten das Experiment zurückhaltend und wünschten wie die meinungsführende Wochenzeitung Die Zeit »den besten Erfolg«.
    Es dauerte noch weitere zehn Jahre, bis sich diese Experimente aus den Schulungszentren der Wirtschaft auf die Produktion selbst auswirkten. Erst als sich Anfang der 1970er Jahre die Meldungen häuften, dass der Unmut der Betriebsbelegschaften sich immer öfter in wilden Streiks oder Sabotageakten Luft machte, begann erzwungenermaßen ein Umdenkungsprozess. Allmählich setzte sich die Erkenntnis durch, dass die Fabrikarbeiter vor allem gegen die quälende Langeweile der Fließbandproduktion rebellierten. Ein anderes Problem war die hohe Ausschussquote. Bis zu einem Drittel der Produkte konnten aufgrund der Mängel nicht verkauft werden.
    Unter dem Druck japanischer Konkurrenz waren die amerikanischen Konzerne gezwungen, über Verbesserungsmöglichkeiten in der Produktion nachzudenken. Nun stand das ehernePrinzip des Taylorismus auf dem Prüfstand: die radikale Trennung von denkender und ausführender Arbeit – angeblich hatte Taylor mal zu einem kritisch nachfragenden Arbeiter gesagt: »Sie sollen nicht denken; für Denken werden andere bezahlt.« 1973 wagte man in dem Röhrenwerk von Kaiser Steel im kalifornischen Fontana das Experiment, die Belegschaft selbst an der Konzeption der Produktionsabläufe zu beteiligen: Deren Tätigkeit war zuvor meist auf einen Handgriff reduziert. Nun änderten die Arbeiter die Anordnung der Maschinen, so dass sich ein flüssiger Arbeitsablauf ergab, korrigierten den Produktionsplan, sorgten selbst für die Instandhaltung wichtiger Maschinen und verbesserten auch die Lohnsituation.
    Unterm Strich brachten die Maßnahmen ein eindrucksvolles Ergebnis: Der Ausschussanteil an der Gesamtproduktion sank von 29 auf neun Prozent. Die Produktivität dagegen stieg um mehr als

Weitere Kostenlose Bücher