1.000 Euro für jeden
Arbeit und Einkommen findet sich in der Verfassung Spartas im sechsten Jahrhundert vor Christus. Sie garantierte der herrschenden Minderheit, den Spartiaten, die als Einzige das Privileg genossen, »Vollbürger« zu sein, die lebensnotwendigen Güter, unabhängig von jeder Arbeitsleistung und von Bedürftigkeit. Alle weiteren Stände, die Frauen als Geschlecht, von den Sklaven ganz zu schweigen, kamen nicht in diesen Genuss.
Der Sozialutopist Thomas Morus stellte erst sehr viel später, 1516, die Forderung auf, alle Menschen im Staat müssten eine Existenzgrundlage haben, schon allein um Diebstahl vorzubeugen. Wiederum mehr als zweihundert Jahre später, 1748, leitete der französische Staatstheoretiker Charles Montesquieu aus dem Selbstverständnis des Staates die Pflicht ab, seinen Bürgern ein Existenzminimum zu garantieren: »Der Staat schuldet allen seinen Einwohnern einen sicheren Lebensunterhalt, Nahrung, geeignete Kleidung und einen Lebensstil, der ihre Gesundheit nicht beeinträchtigt.«
Etwa zur gleichen Zeit argumentierte Thomas Paine, einer der geistigen Gründer der USA, für eine Art Umverteilungs-Grundeinkommen. Die Grundbesitzer sollten einen Fonds einrichten, aus dem jeder Person ab 21 Jahren, ob arm oder reich, eine Summe auszubezahlen sei – und zwar dafür, dass sie, im Gegensatz zu den Grundbesitzern, nicht mehr über ihre natürliche Erbschaft, die Erde in ihrem unkultivierten Zustand, verfügen konnten.
In der Folge beschäftigten sich im 19. Jahrhundert Reformer aus England, Belgien und Frankreich mit der Idee. 1836 propagierte der französische Gesellschaftstheoretiker Charles Fourier, der sich früh für die Gleichberechtigung von Frau und Mann einsetzte, in seinem Werk »Die falsche Industrie« ein bedingungsloses Grundeinkommen. Er begründete dessen Notwendigkeit damit, dass das ursprüngliche Grundrecht auf freies Jagen und Sammeln verlorengegangen sei, was den Menschen einst die natürliche Grundversorgung ermöglicht habe. Es sei ihnen dafür ein Betrag auszuzahlen, da sie kein Land mehr besäßen, das ihnen Selbstversorgung ermögliche.
Zwölf Jahre später, 1848, vertrat der belgische Jurist Joseph Charlier vehement die Auffassung, dass jeder Bürger Eigentümer des Staatsgebiets seines jeweiligen Landes sei und ihm dafür bedingungslos ein Grundeinkommen gebühre.
Vorläufer der Idee eines Grundeinkommens gibt es also schon seit dem Übergang der Selbst- zur Fremdversorgung. Als einer der ersten Ökonomen befürwortete in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts der englische Liberale John Stuart Mill ein bedingungsloses Grundeinkommen, das für ihn die logische Konsequenz des menschlichen Freiheitsstrebens darstellte. Der Staat müsse prinzipiell allen Individuen, Frauen wie Männern, eine freie Entwicklung garantieren – dazu zählten die freie Gestaltung der Lebensführung, die freieEntfaltung der Persönlichkeit, die Versammlungsfreiheit sowie die Presse- und Meinungsfreiheit.
Der Sprung weg von theoretischen Einzelauffassungen in den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften hin zu einer öffentlichen Diskussion fand in Deutschland erst in den 1980er Jahren statt – wobei die aufkeimende Debatte noch nicht sonderlich breit war. Die grüne Partei hatte das bedingungslose Grundeinkommen 1979 zwar in ihr Gründungsprogramm geschrieben, danach aber zum Verschwinden gebracht, die katholische Sozialethik postulierte es schon lange und stellte immer wieder die Finanzierbarkeit fest. Wirkungen auf Institutionen oder gar die Parteien gingen aber keine davon aus. Erst seit kurzer Zeit nehmen wir ernsthafte und hitzige Diskussionen wahr, die quer durch die Gesellschaft verlaufen. Man trifft dabei StudentInnen und Wohlhabende, Beamte und vom Hartz-IV-Dasein Gezeichnete, gutausgebildete AkademikerInnen mit und ohne Erwerbsarbeit und Menschen aus sozialen oder kirchlichen Bewegungen. Solche, die zu viel arbeiten müssen, und andere, die nicht genügend arbeiten können, weil sie aus dem Erwerbsarbeitsleben herausgefallen sind oder nie dort ankamen. Solche, die ihren sicheren Job hassen, ihn aber aus Angst, vor dem umfassenden Nichts zu stehen, nicht aufgeben und sich danach sehnen, etwas zu tun, was ihren Neigungen entspricht. Lehrerinnen, die die Perspektivlosigkeit ihrer Schüler nicht mehr ertragen, alleinerziehende Mütter, die nüchtern über ihre Chancenlosigkeit reden, unter den heutigen Bedingungen würdevoll mit ihren Kindern leben zu können.
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