1.000 Euro für jeden
erfrischende Debatten, sind höchst pragmatisch in ihren Vorstellungen und sehr klar in ihrer Analyse der Angstspirale aus Massenarbeitslosigkeit und wachsender Armut, aus Demütigung durch Hartz-IV-Sanktionen, befristeten Arbeitsverträgen, Zeitarbeit, unbezahlten Praktika. Die Vorstellung, durch ein Grundeinkommen endlich das zu arbeiten, was sie wirklich wollen und können, beflügelt. Die Debatten kreisen aber auch um die Auflösung tradierter Lebensformen wie Ehe und Familie, die längst keine dauerhafte Sicherheit mehr versprechen, und darum, wie schwer es noch ist, Alternativen dazu zu leben.
Die Menschen haben es satt, in sinnlose Fortbildungen gezerrt zu werden, nur um die Arbeitslosenstatistiken zu beschönigen und mit ihrem Leben und ihrer Integrität dafür herhalten zu müssen, den Mythos von der Vollbeschäftigung aufrechtzuerhalten, obwohl es mehr als offensichtlich ist, dass es eine Vollbeschäftigung nicht mehr geben wird und auch nicht geben kann. Immer mehr Arbeiten sind bereits unwiderruflich automatisiert, immer mehr menschliche Arbeit wird durch Maschinen, Roboter oder Computer ersetzt, und es ist klar, dass die Arbeitsplätze in Dienstleistung und der Kulturwirtschaft diese in der Summe niemals ersetzen können. Der amerikanische Soziologe und Ökonom Jeremy Rifkin bilanziert daher nüchtern: »Die alte Logik, dass Fortschritte in der Technologie und damit der Produktivität zwar alte Jobs vernichten, aber genauso viele neue schaffen, stimmt nicht mehr.« Er bezieht sich auf eine Untersuchung von Alliance Capitel Management aus dem Jahr 2003, wonach in dem Jahr weltweit 31 Millionen Stellen in de Produktion gestrichen wurden, bei einem gleichzeitigen Anstieg der Produktivität um mehr als vier Prozent. Das heißt: Mit immer weniger Arbeitskräften wird immer mehr Profit erzielt. Wenn also manche befürchten, dass uns »die Arbeit ausgeht«, dann stimmt das, auch wenn es nur die Erwerbsarbeit meint. Aus Furcht, entlassen zu werden oder keine existenzsichernde Arbeit zu finden, verlieren wir aus dem Blick, dass die Menschen sich jahrhundertelang danach gesehnt haben, von der Fron der Arbeit befreit zu werden. Wir profitieren aber nicht davon, dass wir immer weniger arbeiten müssen, weil unser gegenwärtiges System das Einkommen aller nicht mit dem Ergebnis der Produktion – das eben nach wie vor hervorragend ist – verknüpft, sondern mit dem sozial versicherten Arbeitsplatz des Einzelnen. Wenn immer weniger erwerbstätig sind, bekommen auch immer weniger Einkommen. Also brauchen wir neue Wege der Existenzsicherung.
Über all das spricht die Politik nicht, was zu einem wachsenden Vertrauensverlust in die Fähigkeiten der Regierungen führt. Der Frust über das regierungspolitische Kleinklein, das bislang noch kein einziges der Probleme wirklich behoben hat, zieht eine wachsende Begeisterung für die Grundeinkommensidee quer durch Europa und rund um den Globus nach sich. Das Grundeinkommen ist dabei, zu einer kräftigen internationalen gesellschaftlichen Bewegung zu werden. Götz Werner nennt ihre Protagonisten mutige »Realträumer«.
Denn Grundeinkommen meint nicht nur eine Alternative zu den schwächer werdenden Sozialleistungen, entwickelt nicht nur ein anderes Modell von Fürsorge, sondern es geht auch um demokratische Grundprinzipien: um Solidarität, um Freiheit und Gleichheit, also die Kernforderungen der Französischen Revolution, die sich ideengeschichtlich bereits einige Jahrhunderte zuvor entwickelten. Das motiviert PhilosophInnen, Staatstheoretiker, Steuerrechtler und ÖkonomInnen, die nicht allein die Not der Ärmsten mildern, sondern einen gerechten Staat mit fairen Chancen, inklusive Wohlstand und Bildung für alle wollen. Dazu gehört heute eingleichberechtigtes Neben- und Miteinander von Menschen, unabhängig von Geschlecht, Hautfarbe, Herkunft, Religion oder politischer Überzeugung, körperlicher und geistiger Fähigkeiten, Sprache oder Alter.
All dies hat ganz langsam auch die Parteien aufhorchen lassen, zum Grundeinkommen liegen inzwischen auch in den Fraktionen Gutachten auf oder unter den Tischen. Mal wird eine Referentin eingeladen und dann lauwarm in Programmkommissionen und internen Arbeitsgruppen diskutiert, oder das Grundeinkommen wird sogar auf die Tagesordnungen von Parteitagen gesetzt – allerdings an sehr unprominenter Stelle. Die Strategien zur Vermeidung der ernsthaften Auseinandersetzung mit dem Gedanken variieren in den Parteien, aber einig sind sich
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