1.000 Euro für jeden
alle: Ein Grundeinkommen müsse in jedem Fall an Bedingungen geknüpft sein, die Bedürftigkeitsprüfung als Folterwerkzeug müsse also bleiben. Bedingungslos? Würdige Existenz ein Menschenrecht? Na, wo käme man denn da hin!
Klassische Grundeinkommensdebatten
Vielleicht lehnen Sozialdemokratie und Die Linke hierzulande die Grundeinkommensidee ab, weil sich Marx und Engels nicht für die Trennung von Arbeit und Einkommen und damit auch nicht für ein Grundeinkommen eingesetzt haben, obgleich sie davon gewusst haben müssen, denn die Idee wurde in ihrem unmittelbaren Umfeld diskutiert. Die deutsche Sozialdemokratie wurde schon von ihrem Begründer AugustBebel von Anfang an auf einen donnernden Arbeitsethos verpflichtet. So zitierte der ehemalige Parteivorsitzende Franz Müntefering 2006 in einer Auseinandersetzung mit dem Parteilinken Ottmar Schreiner den Gründungsvater: »Der Sozialismus stimmt mit der Bibel darin überein, wenn diese sagt: Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen. […] Ohne Arbeit kein Genuss, keine Arbeit ohne Genuss.« Dass sich Bebel dabei jedoch als nicht bibelfest erwies, werden wir an anderer Stelle erläutern. Aber ganz offensichtlich war er kein Freund von bedingungslos gezahlten Staatsrenten.
Nur der weniger bekannte Sozialist Paul Lafargue machte sich im 19. Jahrhundert für ein Grundeinkommen stark. Der französische Publizist war mit der Marx-Tochter Laura verheiratet und wurde von seinem Schwiegervater wenig geschätzt. Bekanntheit erlangte er mit einem Text, den er nach der Pariser Februarrevolution 1848 als Antwort auf die Forderung nach einem Recht auf Arbeit formulierte und provokativ mit »Das Recht auf Faulheit« betitelte. Seine These: Nur eine bedingungslose Grundsicherung mache Freiheit und Gleichheit für alle wirklich möglich.
Ein Gedanke, den im zwanzigsten Jahrhundert der britische Mathematiker und Philosoph Bertrand Russell aufnahm. In Anlehnung an Lafargue nannte er sein Plädoyer zum Grundeinkommen »Lob des Müßiggangs«. Beide argumentieren, dass die Gesellschaft sich auch anders als über Lohnarbeit definieren könnte und müsste, und bewerten den vermeintlichen Müßiggang als Freiraum zu Kreativität und gesellschaftlichem Engagement positiv.
In den 1970er Jahren erlebte die Diskussion unter dem Begriff der »negativen Einkommensteuer« neuen Aufwind. Diese Besteuerung gehorcht einer einfachen und nachvollziehbarenLogik: Sie reguliert sich über einen definierten Grundfreibetrag. Wer mehr verdient, zahlt Steuern, wer weniger verdient, bekommt Geld vom Staat – und zwar jeweils linear wachsend. Auf diese Weise würden alle Bürgerinnen und Bürger in gleicher Weise von einer staatlichen Grundsicherung profitieren. Den eher uninspirierten Begriff hatte die britische Ökonomin Lady Juliet Evangeline Rhys-Williams bereits in den 1940er Jahren geprägt. Neben der Europapolitik, der Gesundheitsökonomie und der Medienpolitik beschäftigte sie auch eine gerechte Steuerpolitik, und das, was sie negative Einkommensteuer nannte, glich prinzipiell der Idee des Grundeinkommens vorheriger Jahrhunderte.
Idee und Begriff übernahm in den 1960ern Wirtschaftsnobelpreisträger Milton Friedman, der als klassischer Liberaler stets die Minimierung der Staatsaufgaben und Vereinfachung der Steuersysteme gefordert hatte. In seinem Buch »Chancen, die ich meine – Free to Choose« erläutert er detailliert die Koppelung der Steuerzahlungen an das Erwerbseinkommen. Dabei zeigt er exemplarisch, wie eine linear gedachte Einkommensteuer einerseits mit wachsendem Lohneinkommen zu wachsenden Steuerzahlungen führt, zugleich aber auch – gesetzt den Fall, man billigt allen ein steuerfreies Mindesteinkommen zu – dazu führen muss, dass Menschen ohne Einkommen quasi eine negative Steuerschuld aufbauen. Nehmen wir an, Einkommen bis tausend Euro wären steuerfrei, ansonsten werden fünfzig Prozent Steuern fällig. Wer also 1500 Euro verdient, muss von den 500 Euro, die er mehr verdient, 250 Euro als Steuern an den Staat abführen. Wer zweitausend Euro verdient, zahlt 500 Euro, und so weiter. Dann aber müssten diejenigen, die nur 500 Euro verdienen, theoretisch nicht einfach keine Steuern bezahlen, sondern 250 Euro vonStaat erhalten; und wer gar nichts verdient, hätte Anspruch auf 500 Euro. Da sich hier also die Zahlschuld umkehrt, spricht Friedman statt von Grundeinkommen von negativer Einkommensteuer.
In den 1980er Jahren forderte der Soziologe und politische Vordenker des
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