1001 Kuss - und dann Schluss
war aufregend und gefährlich, eigentlich sogar unverantwortlich. Aber er genoss den Adrenalinstoß.
Schon während ihrer Schulzeit hatten die fünf Freunde dieses Abenteuer geliebt. Damals waren sie um Mitternacht heimlich aus dem Fenster geklettert, während die Lehrer selig schnarchten. Heute gehörte das Chalet Razi, und er konnte es ganz normal durch die Haustür verlassen. Aber aufregend war es immer noch.
Alle kamen heil unten an. Doch die Abfahrt hatte wenig gebracht. Razi besaß immer noch zu viel überschüssige Energie.
„Wie wär’s mit einem Glas Champagner in unserer Lieblingsbar?“, schlug Theo vor.
„Ich bin dabei.“ Razi schnallte sich die Skier ab.
„Wir könnten vorher noch im Chalet vorbeischauen und Lucy einladen, uns Gesellschaft zu leisten“, sagte Tom und zwinkerte ihm verschwörerisch zu.
Razi hätte sich eigentlich denken können, wie die anderen Männer darauf reagieren würden. Sie waren alle erfahren und weltgewandt, natürlich fanden sie Lucy anziehend. Das passte ihm überhaupt nicht. „Lasst Lucy in Ruhe, Jungs“, sagte er barsch und nahm den Helm ab. „Ihr habt doch gesehen, wie überfordert sie war, als wir das Chalet gestürmt haben.“
Das anzügliche Grinsen der Freunde übersah er geflissentlich. „Gebt ihr wenigstens Zeit, sich an uns zu gewöhnen.“
„Sich an dich zu gewöhnen, meinst du wohl?“
Auch Theos Bemerkung ignorierte er.
Tom kam auf ihn zu. „Das ist sehr fürsorglich von dir“, sagte er leise.
„Ach, das ist doch ganz normal. Lucy war völlig okay, als wir vorhin losgezogen sind. Wahrscheinlich schläft sie längst. Sie hat uns einen Imbiss auf den Tisch gestellt. Falls wir nachher Hunger haben, können wir uns selbst bedienen.“
„Ganz wie in alten Zeiten“, sagte Theo.
Leider nicht, dachte Razi, als er Toms verständnisvollen Blick auffing. Dieser Skiurlaub hatte nichts mit den unbeschwerten Zeiten ihrer Jugend gemein, sondern war seine letzte Gelegenheit, sich noch einmal richtig auszutoben, bevor die Bürde der Verantwortung für sein Volk auf ihm lasten würde. Doch daran wollte er jetzt nicht denken. „Wer als Letzter in der Bar ist, gibt eine Runde aus“, rief er und rannte los.
Die milliardenschweren Freunde johlten und lieferten sich ein Wettrennen – und das erinnerte tatsächlich an die alten Zeiten.
Es war so weit. Alle Kollegen begleiteten Lucy zur Bühne.
„Mir ist übel.“
„Hinter den Kulissen steht ein Eimer“, sagte eine Kollegin.
„Ich habe den Text vergessen.“
„Den kannst du vom Bildschirm ablesen.“
„Und wenn ich ihn nicht lesen kann?“
„Wir singen ja mit, Lucy.“
„Und wenn ich euch nicht hören kann?“
„Du wirst uns hören.“
Der Conferencier stand bereits auf der Bühne und wartete, bis der Beifall für den letzten Sänger verklungen war, damit er Lucy vorstellen konnte. Doch der Saal tobte noch immer. Super, dann hören die mich nicht, dachte sie, befreite sich aus dem Griff ihrer Kolleginnen und warf einen Blick durch den Vorhangschlitz. Das grelle Scheinwerferlicht blendete sie. Schnell wich sie zurück. „Kann ich nicht von hier aus singen?“
„Nein!“
Lucy wurde immer nervöser. Ihr war heiß, sie litt unter Lampenfieber. „Ein gutes hat die Sache ja“, meinte sie schließlich, um sich und den anderen Mut zu machen. „Ich kann keine Gesichter in der Menge erkennen, weil ich meine Kontaktlinsen herausgenommen habe.“ Sie atmete einige Male tief durch.
Der Conferencier heizte die Menge für den nächsten Auftritt an. Wunderbar, dachte Lucy ironisch.
„Wenn du erst auf der Bühne stehst, geht es dir gleich viel besser.“ Die Mädchen versuchten, sie aufzumuntern und schubsten sie auf die Bühne.
Die dröhnenden Bässe klangen ohrenbetäubend, die Scheinwerfer blendeten sie. Schützend hob sie einen Arm vor die Augen und verpasste den Einsatz. Die Menge wartete nur darauf, sie in der Luft zu zerreißen. Wie ein Häuflein Unglück stand Lucy mitten auf der Bühne, während das Playback unermüdlich weiterlief.
Hinterm Vorhang riefen die Mädchen aufgeregt ihren Namen. Doch auch das nützte nichts.
Es ging nicht. Sie konnte nichts sehen oder hören. Von singen ganz zu schweigen.
Doch sie riss sich zusammen, ballte die Hände zu Fäusten und begann, mit bebender Stimme zu singen. Langsam, aber sicher legte sich das Lampenfieber. Lucy war verzaubert von der Melodie. Sie hatte darauf bestanden, ein Liebeslied vorzutragen. Es war so schön und romantisch. Sie
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