1001 Lüge Bezness-das Geschäft mit den Gefühlen europäischer Frauen und Männer
deutlich, dass sie es nicht gewohnt war, Entscheidungen für sich und ihre Kinder zu treffen. Sie hatte sich seit vielen Jahren ihrem Mann bis zur Selbstaufgabe untergeordnet und war jetzt im wahrsten Sinne des Wortes hilflos. Lösungsvorschläge hat sie sich zwar angehört, doch immer kam ein „aber“.
Da im Raume stand, dass die Kinder in das Heimatland des Vaters verbracht werden sollten, war eine Trennung aus Sicherheitsgründen nur über ein Frauenhaus möglich. Damit war Marion grundsätzlich auch einverstanden, doch die Umsetzung scheiterte einige Male an diesem „aber“, bereits reservierte Zimmer im Frauenhaus mussten abgesagt werden, weil Marion der Mut verließ. Dass es letztendlich doch noch geklappt hat, lag daran, dass die Sorge um die Kinder Oberhand gewonnen hat.
In den letzten Tagen vor ihrem Auszug hatte Marion sich deutlich verändert. Sie wurde zuversichtlicher und entwickelte ein Selbstvertrauen, das ich so nicht in ihr vermutet hätte. Unsere Gespräche wurden weniger tränenreich, sogar verhalten optimistisch. Als Marion mit ihren Kinder im Frauenhaus angekommen ist, war nicht nur ich erleichtert, dass sie es geschafft hat.
In dieser Zeit hatte ich sehr viel Kontakt zu verschiedenen Frauenhäusern. Mir war nicht bewusst, wie schwierig es ist, für eine spontane Unterbringung einen Platz zu bekommen. Allerdings war ich sehr beeindruckt, wie viel Hilfe, gute Ratschläge und auch Verständnis ich dort bekommen habe. Letztendlich wurde immer ein Zimmer gefunden, wenn auch nicht in der Wunschdestination. Erschüttert war ich dagegen über die Tatsache, dass immer noch so viele Frauen Schutz in Frauenhäusern suchen müssen. Die Betreuung von Marion wurde nicht ausschließlich von mir geleistet. Im Hintergrund wurden viele Gespräche mit dem gesamten Team geführt, Lösungsvorschläge besprochen und auch ein Plan B erarbeitet, falls Plan A zu scheitern drohte. Auch wenn die Betroffenen von nur einer Ansprechpartnerin betreut werden, so heißt dies doch, dass hier als Team agiert wird.
Ingeborg hatte ganz andere Probleme. Ihre für sie harmonische Ehe endete abrupt mit der Aufenthaltserlaubnis für Deutschland ihres nordafrikanischen Mannes. Für sie völlig unerwartet verlangte ihr Mann, kurz nachdem er das ersehnte Dokument in den Händen hielt, die Scheidung. Ingeborg verstand die Welt nicht mehr.
Vor etwas mehr als vier Jahren hatte sie ihn hier in Deutschland als Student kennengelernt. Nach zehn Monaten wurde geheiratet. Ihre Eltern und ihr Freundes- und Bekanntenkreis waren von dem stets charmanten, höflichen und zuvorkommenden Mann begeistert. Es gab keinerlei Anzeichen dafür, dass diese Ehe seinerseits aus Berechnung geschlossen wurde, im Gegenteil. Er gab sein Studium mit der Begründung auf, dass er lieber arbeiten möchte, um seinen Teil zum gemeinsamen Lebensunterhalt beitragen zu können. Die Ehe verlief so wie viele andere Ehen auch, Ingeborg hatte keinen Grund, an der Liebe ihres Mannes zu ihr zu zweifeln. Dann kam die Aufenthaltserlaubnis und damit war das Ende dieser Ehe besiegelt.
Die Gespräche mit Ingeborg zeigten ganz deutlich, dass sie lange Zeit in einer Welt, die so nicht existierte, gelebt hat. Für sie war es unbegreiflich, dass sich ihr Mann über einen so langen Zeitraum so verstellen konnte, dass sie keinen Verdacht schöpfte. Unsere Gesprächen waren durch Unverständnis, Trauer und Hilflosigkeit geprägt. Helfen konnte ich ihr nur durch zuhören, zumal sie sich bereits therapeutische Hilfe gesucht hat. Vielen Ratsuchenden fällt es oft leichter einer unbekannten Person, die jedoch mit dem Thema vertraut ist, von ihren Problemen zu berichten. Ein nicht geringer Teil der Arbeit einer Ansprechpartnerin besteht aus zuhören.
Auffällig ist auch, dass sich vermehrt Männer über das Kontaktformular mit uns in Verbindung setzen. Leider scheuen sie sich immer noch, ihre Geschichten als Warnung in das Forum zu stellen, obwohl ganz deutlich ist, dass Bezness nicht nur Frauen betrifft.
Der Ablauf der Geschichten ist derselbe wie bei den betroffenen Frauen: es fängt immer mit der vermeintlich großen Liebe an und endet im Desaster.
In der letzten Zeit häufen sich auch die Meldungen über Romance Scamming. Jemand gibt sich als wohlhabender Amerikaner oder Engländer aus, der international unterwegs ist. Er ist einfühlsam, liebevoll und sehr „verliebt“, stellt eine gemeinsame Zukunft in Aussicht. Und plötzlich passieren ihm, wie dem „gewöhnlichen“
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