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1001 Nachtschichten

1001 Nachtschichten

Titel: 1001 Nachtschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Osman Engin
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übernehme ich die Nebenkosten!«
    Bei Allah, diese verdammten Kopfschmerzen bringen mich um!
    Es fällt mir sehr schwer, mich auf die Zeitung zu konzentrieren.
    Die Schlagzeile des Tages lautet: »Die CDU hat beschlossen, in dieser Legislaturperiode allen türkischen Mitbürgern ein Auto und ein Haus zu schenken, damit in diesem Jahr nicht so viele Türken Deutschland verlassen.«
    Mein Schädel zerplatzt förmlich!
    Ich werfe die Zeitung in die Tonne!

    »Osman, Osman, wach auf, ich glaube, du hast schon wieder Albträume«, rüttelt mich meine Frau wach.
    Ich springe völlig benommen auf und schaue aus dem Fenster.
    Zum ersten Mal lese ich die Parole an der gegenüberliegenden Wand mit einer gewissen Erleichterung:
    »Ausländer raus!«
    Und der Kommentar in den Spätnachrichten klingt auch sehr vertraut. Die Quintessenz ist:
    »Die Türken verkaufen nur Gemüse und produzieren ständig kleine Kopftuchmädchen, die wiederum nur zum Gemüseverkaufen taugen!«
    Mit sehr gutem Willen kann man sogar was Positives heraushören: Die Türken verkaufen nur noch Gemüse – und keine Drogen mehr!
    Meine Kopfschmerzen sind aber plötzlich wie weggeblasen.
    Der Alltag hat mich wieder!
    Ich erzähle meiner Frau den kompletten Traum.
    »Eminanim, etwas stutzig bin ich aber schon geworden. Ich war drauf und dran zu merken, dass das ein Traum war.«
    »Woran denn?«, fragt sie neugierig. »Weil dein Meister Viehtreiber plötzlich auch unser Vermieter war?«
    »Nein, weil er plötzlich so nett war und nicht mit meinem Kündigungsschreiben rumgewedelt hat! Und ein bisschen froh bin ich auch: Wer will denn schon diesen blöden Veli Sümbüllüoglu als Bürgermeister haben?«
    »Osman, dieser Traum war eine Reaktion deines Unterbewusstseins auf den Stress der letzten aufregenden Tage. Eine seelische Täuschung!«
    »Aber warum sollen denn mein Unterbewusstsein und meine Seele ausgerechnet mich täuschen wollen? Ich habe denen doch nichts getan!«
    »Damit du wenigstens einen Augenblick lang tief durchatmen und zu dir kommen kannst. Damit du gewissermaßen wieder neuen Lebensmut bekommst!«
    »Ich bekam davon leider nur höllische Kopfschmerzen.«
    »Weil die Situation in deinem Traum für dich sehr befremdlich und völlig absurd war! Sozusagen von einem Extrem ins andere. Ich selbst hätte aber sofort durchschaut, dass das ein Traum ist.«
    »Woran denn? An den schwangeren Frauen, die mir ihre Sitzplätze anbieten?«
    »Nein, an den unschwangeren Frauen von Hasan und Horst, die sich laut und fröhlich unterhalten haben. Die beiden Weiber können sich doch überhaupt nicht ausstehen. Die reden schon seit vier Monaten nicht mehr miteinander!«
    »Aber vielleicht hat ja der neue Beschluss der CDU, allen Türken ein Haus und ein Auto zu schenken, sie versöhnt …«
    »Der neue Beschluss der CDU? Ossiiii, hallooo …«
    »Ach ja … du hast recht! Eminanim, ich gehe mal kurz raus. Frische Luft ist sicher gut gegen Kopfschmerzen.«
    »Um diese Zeit? Es ist fast Mitternacht!«
    »Du sagst es, die Nachtschicht ruft!«

    Während meines nächtlichen Spaziergangs mache ich mir nicht nur über meinen Traum Gedanken, sondern auch darüber, ob mich diese Mordgeschichte nun wohl retten wird? Genauso wenig kann ich einschätzen, ob ich bald einen anderen Job bekommen werde.
    Ich grüble bis zum Morgengrauen darüber nach. Und erfülle damit inzwischen alle erforderlichen Voraussetzungen, um eine großartige Karriere als Diskjockey oder als Nachtwächter zu starten. Denn durch das neuerliche Nachts-grübeln-tags-Erzählen bin ich so was wie eine Eule geworden oder wie Graf Dracula. Ob ich mich jetzt schon in einen Sarg legen sollte?

Mittwoch, 16. Juni
    Mittwochmittag bittet der Lehrer mich erneut an die Tafel. Seitdem er mich von der Schule werfen will, »befiehlt« er ja nicht mehr, sondern »bittet« mich höflich.
    Kurz vor Feierabend, nachdem ich über sieben Stunden lang als Springer in allen Hallen mehrere Kollegen ersetzen musste, stehe ich erneut in Viehtreibers Büro, um den Sultan milde zu stimmen.
    »Und, hast du nun den Mörder gefasst?«, fragt er geradeheraus und tut so, als würde er neuerdings hauptberuflich als Staatsanwalt arbeiten.
    »Aber Chef, wieso soll
ich
denn den Mörder fassen? Ich glaube, Sie verwechseln da etwas. Ich bin bisher immer noch Schlosser in Halle 4 in Bremen und nicht Kommissar bei der Mordkommission in Schwerte!«
    »Das weiß ich auch. Wobei das mit Schlosser in Halle 4 in Bremen eigentlich auch nicht mehr

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