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1001 Nachtschichten

1001 Nachtschichten

Titel: 1001 Nachtschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Osman Engin
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Nase zu. Mit den vier Fingern der anderen Hand hält er seine Einkaufstasche vor die Brust und weist mit dem einzigen freien Finger auf einen riesigen Haufen, der ein paar Schritte entfernt in unserem Flur liegt. Die restliche Hundescheiße, die noch an seinen Schuhen klebt, reibt er in aller Ruhe an meiner Fußmatte ab.
    Ich verspüre einen leichten Anflug von Zorn in meinem Bauch, aber reiße mich trotzdem zusammen, um des lieben Hausfriedens willen. Auf diesem speziellen Gebiet habe ich ja in den letzten Tagen ein großes Träningspensum vorzuweisen – auf dem Gebiet des Sich-Zusammenreißens.
    »Herr Krummsack, warum soll ich den Dreck wegmachen, den Sie von der Straße reinschleppen?«, sage ich äußerlich gefasst und dem Anlass entsprechend stinkfreundlich. »Außerdem versauen Sie mir gerade meine gute Fußmatte. Wissen Sie eigentlich, wie teuer so was ist?«
    Herr Krummsack läuft rot an und sagt nur ein Wort: »Mittwoch!«
    Heute ist Mittwoch, und mittwochs müssen wir immer den Flur von der Haustür bis zur Treppe sauber machen. Welcher Bewohner an welchen Tagen dran ist, das weiß ich nicht und habe ich auch nie gewusst. Eminanim ist Experte auf diesem Gebiet. Sie stellt die Liste ja auch jeden Monat gemeinsam mit Oma Fischkopf zusammen. Mittwochs sind offensichtlich wir dran.
    »Aber, aber, Herr Krummsack, nur weil wir mittwochs dran sind, haben Sie noch lange nicht das Recht, absichtlichHundescheiße von der Straße bis in den Flur zu schleppen«, weise ich unseren Hausmeister zurecht.
    »Hören Sie mal zu, Herr Engin, meinen Sie etwa, ich würde mir absichtlich meine guten Schuhe einsauen?«
    »Wieso einsauen? Den Schuh haben Sie doch an meiner Fußmatte wieder herrlich sauber gekriegt!«
    »Egal, Sie sind heute dran! Und das bedeutet: Sie machen den Dreck weg!«
    »Ich habe doch keinen Hund! Nicht mal einen Mops!«
    »Aber einen Wischmopp werden Sie ja wohl haben«, bellt er, dreht sich um und stampft die Treppe nach oben.
    »Morgen sind Sie ja dran, dann können Sie sich darum kümmern«, rufe ich ihm hinterher.
    »Krummsack ist erst Montag dran«, ruft meine Frau.
    »Ich bin erst Montag dran«, ruft auch Herr Krummsack von oben.
    »Gut, dann sorge ich dafür, dass bis Montag der Hundescheiße in unserem Flur kein einziges Haar gekrümmt wird«, brülle ich nach oben und knalle die Tür zu.
    Ich könnte explodieren vor Wut. Und die anderen Nachbarn denken jetzt bestimmt, ich hätte diesen Mist reingeschleppt, weil Spuren davon an meiner Fußmatte sind.
    »Jetzt auch noch Hundescheiße«, schimpfe ich. »In letzter Zeit habe ich ja nur so was am Hals, ich sollte sie nummerieren: 1. Jobscheiße, 2. Jobcenterscheiße, 3. Hundescheiße!«

Donnerstag, 17. Juni
    Am nächsten Tag stehe ich mit zittrigen Beinen vor Herrn Viehtreiber.
    Während er noch einige Papiere in seine Schreibtischschublade steckt, packe ich aus meiner Tasche wie nebenbei eine Köstlichkeit nach der anderen aus und stelle alles auf seinen Schreibtisch.
    Lecker! Meine Frau hat mit Hackfleisch gefüllte Auberginen, Börek mit Schafskäse und türkische Knoblauchwurst mit Eiern, Zwiebeln und scharfen Peperoni gemacht.
    Bei der tollen Aussicht läuft mir das Wasser im Mund zusammen, aber ich beherrsche mich, aus Angst, dass Eminanim vielleicht doch noch eine Prise Rattengift reingemischt haben könnte.
    »Herr Viehtreiber, meine Frau hat gestern sehr leckere Sachen für mich gekocht. Ich habe heute leider keinen Appetit, wollen Sie nicht kosten?«, rufe ich. »Besonders diese Frauenschenkel-Frikadellen sind wirklich sehr lecker, kann ich nur empfehlen.«
    »Echte Frauenschenkel wären mir lieber«, lacht er und deutet ziemlich direkt an, dass ich als Zuhälter viel mehr Chancen auf einen Verbleib in der Firma hätte. Was wohl meine Frau von dieser Idee hält?
    »Und, ist der Dieb nun auch gleichzeitig der Mörder?«, schmatzt Viehtreiber mit glänzenden Augen. Jetzt kann ich nicht mal abschätzen, ob er wegen des leckeren Essens wie ein Weihnachtsbaum voll elektrischer Kerzen strahlt oder wegen der Vorfreude, dass ich bald als Mörder dastehe?
    »Ehrlich gesagt, das weiß ich nicht, Chef. Kommissar Lück hat sich danach nicht mehr gemeldet. Der Dieb war es wohl nicht.«
    »War mir schon klar, dass du nicht zum Ermittler taugst!«, knurrt er.
    »Vielleicht tauge ich ja zum Mörder! Es könnte doch sein, dass Kommissar Lück in Ermangelung eines geständigen Täters am Ende mich in den Knast steckt«, versuche ich die fast verlorene

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