1001 Nachtschichten
falsch gelaufen ist, fragst du? Hat dir dieses blöde Ding am Freitag nicht gesagt, dass Herr Meisegeier Vater von einem Kind geworden ist?«
»Mein Gott, war es etwa eine Fehlgeburt?«
»Schön wär’s! Er hat fünf Blagen auf einmal bekommen!«
»Mist, er hat aber nur das Foto von einem Kind im Fäysbuk hochgeladen.«
»Als die restlichen vier kamen, war er sicher selber mehr als genug geladen, der Arme. Er kennt ja die Job-Situation in Deutschland aus erster Hand. Der weiß, was seinem Nachwuchs blüht.«
»Vielleicht war die Batterie von seinem Eifon-Händy leer.«
»Nein, im Gegenteil, es war total voll! Als das Ding mich heute am Kopf traf, hatte ich das Gefühl, dass es tonnenschwer ist.«
»Das ist ja geil!«, mischt sich mein kommunistischer Sohn Mehmet, der ewige Student, ins Gespräch ein. »Vater, sag schon, wo werden einem denn teure Händys nachgeschmissen? Die Millionen von Bill Gäyts lassen nämlich immer noch auf sich warten«, lacht er sarkastisch.
»Du brauchst dich nicht zu beeilen, mein Sohn. Falls du dein Studium irgendwann mal, im nächsten Jahrtausend vielleicht, zum Abschluss bringen solltest, wirst du sowiesoein Stammkunde im Arbeitsamt-Wellness-Center sein. Und wenn du den Abschluss nicht schaffst, dann erst recht. Also auf jeden Fall werden sie dir noch genügend Händys und Aschenbecher an den Kopf knallen. Du hängst nämlich mehr in der Kneipe oder vor dieser blöden Kiste hier rum als in der Uni.«
»Vater, du beleidigst unentwegt zu Unrecht meinen Rechner! Du kennst ihn ja gar nicht richtig, obwohl du das ganze Wochenende mit ihm zusammen warst. Er kennt dich aber sehr gut, vielleicht sogar besser als du dich selbst. Zum Beispiel kann er dir sagen, was du in zwei Monaten bei den Bundestagswahlen wählen wirst.«
»Willst du etwa damit sagen, dieser Plastikhaufen weiß jetzt schon, was ich später mal wählen werde?«
»Ja. Du brauchst nur einige Fragen des Wahl- O-Mats ehrlich zu beantworten, dann sagt er dir, welche Partei zu dir passt und was du wählen sollst.«
»Das gibt’s doch nicht! So frech sind die Dinger also mittlerweile geworden?«
»Die Zeiten ändern sich. Früher hat die Kirche bestimmt, was die Leute zu wählen haben, heute machen das die Kompjuter.«
»Bei mir hat das immer deine Mutter bestimmt. Also gut, dann soll doch mal der Herr Wahl- O-Mat loslegen. So brauche ich wenigstens nicht mehr die Wahlprogramme von allen fünfzig Parteien zu lesen.«
»Du Angeber, als ob du jemals vorgehabt hättest, das Wahlprogramm auch nur einer einzigen Partei zu lesen. Außerdem sind es nicht fünfzig Parteien, die zur Wahl zugelassen sind, sondern nur vierunddreißig!«
»Mehmet, jetzt quatsch nicht so wichtigtuerisch, leg los!«
»Also gut, hier ist die erste Frage: Soll der gesetzliche Kündigungsschutz noch mehr gelockert werden oder nicht?«
»Ich glaube, noch lockerer geht’s kaum, aber wenn doch, ich bin dafür! Wenn die mich an die frische Luft setzen, sollen die anderen auch fliegen!«
»Soll die Wehrpflicht abgeschafft werden?«
»Auf keinen Fall! Wer soll uns denn sonst vor den bösen Kommunisten schützen!«
»Soll die Homo-Ehe gesetzlich geschützt werden?«
»Aber natürlich. Vom Standesamt sofort in den Knast in Schutzhaft!«
»Nächste Frage: Sollen die kriminellen Ausländer schneller abgeschoben werden?«
»Klar, aber alle!«
»Wie? Was meinst du jetzt mit ›alle‹?«
»Die deutschen Kriminellen sollen doch auch sofort abgeschoben werden!«
»Wohin denn?«
»Nach drüben – wie immer!«
Nachdem ich noch zwanzig solcher Fragen nach bestem Wissen und Gewissen beantwortet habe, verkündet Mehmet strahlend das Ergebnis:
»Vater, der Wahl- O-Mat meint, deine Traum-Partei ist die NPD! Zur Not tut’s auch die DVU!«
»Waaas? Habe ich eben nicht gesagt, diese blöden Kisten spinnen total und verbreiten nichts als Lügengeschichten über ehrbare Bürger? Ich bin doch ein ganz normaler,durchschnittlicher deutscher Wähler! Ich hab nichts gegen Ausländer! Mal abgesehen von dir, mag ich sie fast alle!«
»Vater, dein letzter Spruch entlarvt dich sofort als Nicht-Deutschen«, triumphiert Mehmet. »Die
normalen
Deutschen sagen nämlich immer genau das Gegenteil: Ali, dich mag ich, du bist ja auch ganz anders als die anderen Türken!«
Kurze Zeit später sitze ich mit einer Tasse Tee in der Küche, während Eminanim das Bestechungsessen für meinen Meister vorbereitet.
»Herr Viehtreiber denkt also, dass du Frau Meierdierks umgebracht
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