1001 Nachtschichten
wie dieser Mordfall weitergeht – fliegst du! Und zwar in hohem Bogen. Dein stinkender Urin und dreckiger Sperrmüll interessieren mich nicht die Bohne«, ruft er ziemlich angefressen.
»Apropos Bohne: Meister, diese dicken Bohnen müssen Sie unbedingt probieren«, sage ich schnell und schiebe ihm einen großen Löffel weiße Bohnen in den Mund.
»Nö-ööö …«, röchelt er gemischt mit lautem Husten.
»Und jetzt noch diese gefüllte Paprika hinterher! Packen Sie doch etwas mehr Knoblauchjoghurt auf die gefüllte Paprika, dann schmeckt es richtig gut und rutscht auch besser runter!«
Dabei schiebe ich ihm einen Löffel, diesmal voll mit Knoblauchjoghurt, in den Rachen und schlage ihm kräftig auf den Rücken.
»Höhö … hrrrrkirrrr …«
»Herr Viehtreiber, von diesem hässlichen Mord habe ich Ihnen ja absichtlich nichts mehr erzählt, damit ich Ihnen den Appetit nicht verderbe. Aber gut, wenn Sie draufbestehen, dann muss ich Ihnen ja wohl sagen, wie es weiterging«, lüge ich gekonnt nach einem kurzen Moment der Verwirrung. »Hier, nehmen Sie noch eine gefüllte Paprika!«
»Lass stecken, ich bin satt«, schmettert er meine liebevolle Fürsorge und die leckere Paprika einfach ab.
Bei Allah, was soll ich jetzt bloß machen?
Wieso habe ich mit dieser schrecklichen Mordgeschichte überhaupt angefangen? Wieso bin ich nicht wie die anderen gefeuerten Kollegen einfach nach Hause gegangen und habe mich mit einer Bierflasche im Arm vor die Glotze gelegt oder an der Decke aufgehängt? Der Kollege Fadıl hat leider Selbstmord begangen.
»Und? Wird’s bald?«, knurrt er und starrt mich erwartungsvoll und drohend an.
Was soll denn das, verdammt? Sehe ich etwa wie Agatha Kristie aus? Als ob ich lauter Mordgeschichten aus dem Ärmel schütteln könnte?
Unter diesen Bedingungen hätte nicht mal Agatha Kristie eine Mordgeschichte zustande gebracht, sondern eher einen Mord, indem sie meinen dämlichen Meister mit seinem eigenen Brieföffner abgestochen hätte. Das wäre dann zwar auch ein Kriminalfall, aber damit wäre sie nicht auf den Bestsellerlisten, sondern im Knast gelandet. Und mir würde ein Meister-Mord für meine weitere Karriere auch nicht sonderlich helfen.
Verzweifelt schaue ich mein Kündigungsschreiben auf dem Schreibtisch an.
»Menschenhändlerring festgenommen! Polizei durchsuchte mehrere Modellwohnungen«, lautet die Schlagzei le der Tageszeitung, die neben meiner zukünftigen Kündigung liegt.
»Also gut, eigentlich musste ich Kommissar Lück gestern hoch und heilig versprechen, nicht mal meiner Frau was darüber zu erzählen, aber Sie zwingen mich ja regelrecht dazu – und das zu Recht! Sie sind mein Dienstvorgesetzter, also erzähle ich Ihnen alles …
Herr Viehtreiber, Sie haben tatsächlich einen guten Riecher! In unserem Mordfall gibt es unerwartete Wendungen und spektakuläre Neuigkeiten. Wie gesagt, Kommissar Lück war gestern in Bremen. Die Polizei hat einen anonymen Hinweis bekommen, dass die in Schwerte ermordete Inge Peters in Bremen in einer sogenannten Modellwohnung wohnte. Ein internationaler Menschenhändlerring hat dort viele junge Frauen aus Osteuropa gegen ihren Willen brutal zur Prostitution gezwungen«, sprudelt es aus mir heraus. »Und bevor die Polizei den Laden stürmte, wollte Kommissar Lück anderkawa reingehen, um die Lage zu tschecken. Als wichtiger Zeuge und Bremer Urgestein musste ich selbstverständlich auch mit rein.«
»Toller Job, der Polizeiberuf! Sich in Bordells rumtreiben und dafür auch noch Geld kassieren. Wie viele Weiber waren denn da? Die laufen doch da alle mit nackten Titten rum, nicht wahr?«, sabbert er mit strahlenden Augen. Ich kann aber nicht genau einschätzen, ob er nur wegen des Knoblauchjoghurts so sabbert oder wegen der anzüglichen Gedanken, die ihm im Kopf herumschwirren. Auf jeden Fall habe ich zielgenau die beiden Themen erwischt, die ihn brennend interessieren: Mord und Sex! Er lechzt ständig danach – und sabbert!
»Es war wie am FK K-Strand . Nur mit dem Unterschied, dass die geilen Männer sich nicht hinter der Hecke versteckten, sondern wie geizige Basarbesucher von Frau zu Frau liefen und über den Preis verhandelten.« Ich hätte nie gedacht, dass die angeblich täglichen Rotlichtabenteuer meiner Kollegen mir mal so hilfreich sein würden. »Übrigens, warum es Rotlichtmilieu heißt, habe ich nicht ganz verstanden. Da war kein einziges rotes Licht, alles war hell erleuchtet wie in einem Operationssaal.«
»Das ist doch
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