1001 Nachtschichten
hast?«, fragt sie nachdenklich, während sie eine dicke Knoblauch-Zehe zerdrückt.
»Ja, mit einer Waschmaschine! Er hofft es jedenfalls.«
»Und du durftest noch einen Tag bleiben, weil du womöglich ein Mörder bist? Wie willst du die Geschichte denn morgen abschließen, ohne auf der Straße oder im Knast zu landen?«
»Also nach so viel Aufregung wäre er sicher sehr enttäuscht, wenn es am Ende gar keine Toten geben würde. Ich denke, ich bringe den Dackel Jenny um!«
»Dem Dackel hast du doch nur den Schwanz zerquetscht!«
»Mit einem zerquetschten Dackelschwanz komme ich aus der Sache aber nicht mehr heraus. Die Bestie hat Blut gerochen!«
»Selbst schuld, du hast ja die Sache jeden Tag immer mehr auf die Spitze getrieben und aus deinem Meister einen mordlustigen Geschichten-Dschankie gemacht.«
»Ich könnte vielleicht erzählen, dass zur selben Zeit, als ich den Schwanz von Dackel Jenny plattgemacht habe, auf der Straße ein brutaler Mord passiert ist!«
»Oder dass erneut eine Bombe auf einem Basar von Bagdad hochgegangen ist – was hat das alles mit deiner Geschichte zu tun?«
»Bagdad?«
»Nein, Bangkok!«
»Ich hab’s! Ich bringe den Viehtreiber um! Dann hat er seinen Mord, und ich hab meine Ruhe!«
»Ja, im Knast!«
Dienstag, 22. Juni
Heute bin ich ganz besonders gespannt auf mein Tageshoroskop! Vielleicht finde ich dort einen Hinweis, wie ich zu einer Schlusspointe für meine Sperrmüll-Story komme.
Ich werfe ein 2-Euro -Stück in das Münztelefon im Pausenraum von Halle 4:
»Für Ihre heutige Liebes-Prognose drücken Sie bitte die Taste 1«, flüstert mir eine weibliche Stimme sehr erotisch wie aus dem Jenseits zärtlich ins Ohr. »Für Ihre heutige Geld-Prognose drücken Sie bitte die Taste 2«, zwitschert sie weiter. »Für Ihre heutige Job-Prognose drücken Sie bitte die Taste 3«, sagt sie trocken. Ich drücke sofort auf den Knopf mit der 3 darauf.
»Die Sterne stehen sehr günstig, Sie können heute schwanger werden«, sagt sie in einem erquicklichen Ton, als müsste ich mich über diese Nachricht sehr freuen.
Ich drücke etwas kräftiger auf die 3.
»Aber Sie sollten ihm heute Abend Ihre Liebe auch endlich gestehen«, schlägt sie mir daraufhin vor.
Okäy, das mache ich, wenn ich dadurch meinen Job retten kann! Aber der erste Schritt muss schon von Viehtreiber kommen! Wenn mein Meister mir sein Herz öffnen und sagen würde, dass er sich auf gar keinen Fall vonmir trennen kann, dann könnte ich im Gegenzug ihm auch meine Liebe gestehen. Aber schwanger will ich von ihm doch nicht werden – ich habe schon genug Kinder.
Ich drücke noch fester auf die 3!
Dann höre ich so schreckliche Geräusche, als kämen meine Sterndeutungen wirklich von einem anderen Planeten – von Saturn oder Jupiter! Mir wird klar, dass von diesem Telefon hinsichtlich der Sperrmüll-Story-Pointe überhaupt keine Hilfestellung zu erwarten ist. Das Ding ist selbst reif für den Sperrmüll.
Auf dem Weg zu Viehtreiber gehe ich im Geiste alle Varianten durch:
Die Frau Meierdierks umbringen – darf ich nicht, ist sehr heikel, dann stehe ich als Mörder da. Den Dackel Jenny umbringen – will ich nicht, ist wenig spektakulär, dann stehe ich als Tierfeind da. Den Spion Cafer umbringen – kann ich nicht, sein Onkel arbeitet bei uns in Halle 3 und gibt mir ab und zu einen Kaffee aus. Mich selbst umbringen – will ich nicht, an Wiedergeburt glaube ich nicht.
»Osman, hast du diese Frau Meierdierks nun plattgemacht oder nicht?«, fragt Herr Viehtreiber sofort sensationslüstern.
»Mein lieber Meister, mit ›plattgemacht‹ liegen Sie gar nicht mal so verkehrt«, schleime ich, so gut ich kann, und mache die Sache für ihn so spannend wie möglich. Zappeln soll er, der Hund! »Ich habe etwas plattgemacht, aber nicht die liebe Frau Meierdierks, Gott sei Dank! Sondern diesen schönen antiken Stuhl, mit dem ich eigentlich die hübsche Dame ködern wollte, habe ich aus Versehen zuKleinholz verarbeitet … Aber wissen Sie was, über ihren eigenen Tod hätte die gute Frau nicht so herzzerreißend gejammert wie über das Ableben dieses Schrotthaufens. Seitdem wechselt sie schon die Straßenseite, wenn sie mich nur von Weitem sieht.«
»So’n Mist! So viel Theater wegen einem kaputten Stuhl, oder was?«
»Ja, irre, nicht wahr? Frauen können ja so was von kindisch sein!«
»Osman, ich meine doch dich! Junge, weißt du was, ich hab langsam die Faxen dicke! Wenn du mir jetzt nicht auf der Stelle erzählst,
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