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1001 Nachtschichten

1001 Nachtschichten

Titel: 1001 Nachtschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Osman Engin
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Engin, da bin ich aber erleichtert«, ruft er. »Ich wollte es Ihnen auch schon vorschlagen. In Deutschland wird doch ein fünfzigjähriger arbeitsloser Türke wie Sie eher an einem wolkenlosen, sonnigen Tag dreimal hintereinander vom Blitz getroffen, als dass er einen neuen Job bekommt. Gute Entscheidung, gehen Sie wieder in die Türkei!«
    »Aber … ich … ich meine«, stottere ich.
    »Unterschreiben Sie bitte hier, dann können Sie sofort gehen, wohin Sie wollen!«
    »Man wird doch mal einen Spaß machen dürfen, hihihi«, kichere ich etwas krampfhaft, »so leicht werden Sie mich nicht los!«

Samstag, 26. Juni
    Am Samstag sind alle Bewohner des Hauses Karnickelweg 7b pünktlich um 19:30 Uhr bei Oma Fischkopf eingetroffen.
    Herr Krummsack schlägt vor, einen Diskussionsleiter und einen Protokollführer zu wählen. Seine Frau schlägt ihn als Diskussionsleiter vor, aber er wird von mir als parteiisch abgelehnt. Anschließend wird der alte Opa Prizibilsky zum Diskussionsleiter gewählt, und Frau Kuckuck darf das Protokoll schreiben.
    Opa Prizibilsky war früher beim Einwohnermeldeamt stellvertretender Hauptabteilungsleiter und kennt sich mit so was aus.
    Er lässt das Geschehene gewissenhaft, ganz korrekt kurz Revue passieren:
    »Sehr geehrte Damen und Herren, ich werde mich bemühen, die Sachlage kurz zu umreißen. Hundescheiße liegt im Hausflur und stinkt seit mehreren Tagen fürchterlich! Nun weigert sich aber die Familie Engin, den Flur zu reinigen, obwohl der Schmutz an ihrem Reinigungstag festgestellt wurde. Als Grund geben sie an, unser Hausmeister, Herr Krummsack, habe den Haufen absichtlich hochgeschleppt und seine eingekoteten Schuhe sogar an ihrer Fußmatte gesäubert. Mit Rücksicht auf die angespannteLage zwischen den Parteien im Haus hat der Sohn von Frau Kuckuck in Eigeninitiative eine Zeitung über die betreffende Stelle ausgebreitet, um sie wenigstens optisch etwas aufzuwerten. Ich möchte hiermit Kuckuck junior im Namen der gesamten Hausgemeinschaft für seinen uneigennützigen und selbstlosen Einsatz danken!«
    Alle applaudieren oder klopfen auf den Couchtisch. Mit einer gönnerhaften Geste gibt Opa Prizibilsky das Wort an mich.
    »Herr Engin, bitte schwören Sie, dass Sie die Wahrheit und nichts als die Wahrheit sagen werden!«
    »Ich schwör’s, Herr Prizibilsky! Vielen Dank für Ihre sachliche Einführung! Frau Kuckuck, ich danke Ihrem Herrn Sohn«, rufe ich und fahre fort: »Meine Damen und Herren, vor genau zehn Tagen, am Mittwoch, den 16. Juni, saß ich vor dem Fernseher, es war 18 Uhr. Nein, ich glaube, es war schon 18:30 Uhr. Da klingelte es plötzlich an der Tür. Ich ahnte nichts Schlimmes. Wozu ist schließlich eine Klingel da, frage ich Sie. Zum Klingeln, nicht wahr? Also, wie gesagt, ich öffne die Tür, und da steht Herr Krummsack vor mir. Besser gesagt, er putzte gerade eifrig seine Schuhe an meiner Fußmatte ab. Er sagte auch noch, ich solle die Hundescheiße, die er reingeschleppt hat, wegmachen. Jetzt frage ich Sie, meine verehrten Damen und Herren, wie kann ein Mann so einen großen Haufen Hundekot an den Schuhen haben und angeblich nichts davon bemerken? Möglicherweise war er ja wirklich bis zum Flur ahnungslos, aber war er es auch noch, als er seine Schuhe an meiner Fußmatte abwischte? Ganz nebenbei möchte ich die Frage aufwerfen,wer eigentlich im Haus einen Hund hat, der solch einen riesigen Haufen produzieren kann? Doch nicht der liebe, süße Dackel Tina von Frau Fischkopf. Nein, da kommt eigentlich nur der Schäferhund von Herrn Krummsack infrage. Wenn wir nun die Hundescheiße im Labor auf seine DNS untersuchen lassen würden, bin ich mir ganz sicher, dass wir feststellen würden, dass nur der unverschämte, riesige Köter Rambo von Krummsacks der Verursacher sein kann!«
    Opa Prizibilsky klopft mit seinem Bierglas empört auf dem Couchtisch rum, so wie der Richter im Gerichtssaal mit dem Hammer:
    »Bitte keine Unterstellungen, noch ist nichts bewiesen, Herr Engin!«
    »Jawohl, Euer Ehren, ich meine natürlich, Herr Prizibilsky.«
    »Liebe Nachbarn, wir alle haben die Ausführungen von Herrn Engin ja gehört. Deshalb möchte ich hiermit das Wort an Herrn Krummsack weitergeben. Herr Krummsack, berichten Sie uns Anwesenden bitte, wie Sie den ganzen tragischen Vorfall am besagten Mittwoch erlebt haben.«
    »Guten Abend, meine Damen und Herren, und guten Abend, Herr Prizibilsky, erstens, es war nicht um 18 Uhr oder 18:30 Uhr, sondern genau um 18:50 Uhr! Das weiß ich

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