1001 Nachtschichten
anbieten?«
Man lernt nie aus – es gibt also auch nette Zombies! Mit dieser völlig neuen Erkenntnis machen wir uns auf den Heimweg.
Als ich todmüde die Wohnungstür aufsperre, duftet es herrlich nach leckerem Essen, und das schon zur Frühstückszeit. Für Eminanim war die Ankündigung vor drei Tagen, dass Mehmets Freundin Ingrid zu uns zum Essen kommt, der Startschuss für einen langen, anstrengenden Marathon! Einen sagenhaften 3-Tage -Kochmarathon, um ihre gegenwärtige Lebensabschnittsschwiegertochter Ingrid so richtig zu verwöhnen und Mehmet hoffentlich zu versöhnen.
Ich bin mir nicht sicher, ob sie in diesen drei Tagen überhaupt geschlafen hat. Auf jeden Fall zischten und blubberten in unserer Küche unaufhörlich mehrere Kochtöpfe tagelang um die Wette, während ich meine Frau im Schlafzimmer nie habe schnarchen hören. Ich habe sie die ganze Zeit in unserem Schlafzimmer nicht mal gesehen. Sie gibt sich unglaubliche Mühe, damit diesmal nichts schiefläuft.
Ich kam natürlich auch nicht ungeschoren davon und wurde ständig in irgendwelche Läden geschickt, um dieses oder jenes einzukaufen. Mir bürdete meine Frau also fast genauso viel auf, wie sie jetzt unserem armen alten Esstisch aufbürdet. Sie packt den Tisch so voll, dass ich ihn mit mehreren dicken Brettern verstärken muss, damit er unter dieser herrlich duftenden Last nicht sofort zusammenbricht.
Und Mehmet muss die leicht konsternierte Ingrid stützen, damit sie bei diesem königlich leckeren Anblick nicht auf der Stelle zusammenklappt. Dabei glaube ich gar nicht, dass die königlichen Mahlzeiten früher so prachtvoll waren. Höchstens, wenn der Kaiser von China zuBesuch war, aber ich glaube kaum, dass der jemals hier in Bremen war.
Aber dafür gibt uns Ihre Hoheit Prinzessin Ingrid die Ehre und starrt mit offenem Mund das viele, im gesamten Wohnzimmer aufgetürmte Essen genauso schockiert an wie ein kleines Karnickel eine riesige chinesische Schlange.
Eigentlich völlig unnötig, da Ingrid nicht für die Rolle der Beute vorgesehen ist, sie soll doch gar nicht gefressen werden. Sie soll doch nur essen, essen und essen! Und das hat das arme Kind bitter nötig, so ausgemergelt und spindeldürr wie es ist!
»Mein Kind, du siehst ja aus wie ein Klappergestell! Das ist ja grauenhaft! Geben dir deine Eltern denn gar nichts zu essen?«, moniert meine Frau völlig zu Recht.
Ich sprach eben bewusst vom gesamten Wohnzimmer, weil unser großer Esstisch für die vielen Köstlichkeiten doch nicht groß genug ist und deshalb alle Fensterbänke, Kommoden und Beistelltischchen mit Töpfen, Pfannen und Schüsseln vollgepackt sind.
»So! Ich wünsche dir nun einen guten Appetit, Ingrid«, gibt Eminanim endlich den von mir lang ersehnten Startschuss.
»Haut rein, Leute!«, bestätige ich sofort mit einem dicken Stück Fleisch im Mund.
»Mutter, bist du verrückt geworden? Mit diesem ganzen Zeug hier kann man ja mehr als hundert ausgehungerte Holzfäller satt bekommen«, ruft Mehmet fassungslos.
»Ach, Mehmet, du übertreibst ja mal wieder so«, lächeltEminanim wegen des großen Lobes verlegen. Sie empfindet das zumindest als Lob.
»Deine Mutter hat recht! Mehmet, du übertreibst! Mit diesem Essen kann man doch bestenfalls zwei Dutzend ausgehungerte Holzfäller satt kriegen«, schlage ich mich auf die Seite meiner Frau. Ich würde mich mit jedem schlagen, der was Negatives über das heutige Essen zu sagen wagt.
Seit Tagen schaue ich meinem Meister zu, wie er all das leckere Zeug in sich reinschlingt – heute bin ich dran!
»Die Hauptsache ist doch, dass unser Gast Ingrid endlich mal satt wird«, ruft Eminanim und packt zu der einen gefüllten Paprika auf dem Teller von Ingrid noch zwei weitaus größere gefüllte Paprikas, eine gefüllte Zucchini und drei zum Bersten gefüllte Auberginen dazu. »Ing rid , bitte iss kein Brot dazu, damit du nicht schnell satt wirst«, sagt sie weiter. »Nimm lieber was von diesem wattebauschweichen Börek. Diese mit Hackfleisch gefüllten Teigtaschen schmecken prima! Und die mit türkischem Käse gefüllten sind besonders lecker, aber auch die mit Spinat gefüllten sind nicht zu verachten«, schnalzt sie genüsslich mit der Zunge und stellt einen weiteren vollen Teller vor Ingrids Nase.
»Mutter, das reicht, damit ist Ingrid für den ganzen nächsten Monat versorgt«, versucht Mehmet mit vollem Mund zu sprechen, aber es geht wegen der allgemeinen Klappergeräusche der Teller, der Gabeln, der Löffel und der
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