1001 Nachtschichten
deshalb so genau, weil ich meine Frau kurz vorher beim Frisör abgesetzt hatte, wo sie um 18:45 Uhr einen Termin hatte …«
»Das sagt doch gar nichts aus! Wie wir alle wissen, gehen alle Frauen immer ein paar Stunden früher zum Frisör,damit sie mehr Zeit zum Lästern haben«, unterbreche ich ihn.
»Ich erhebe Einspruch! Das ist eine unverschämte Unterstellung von Ihnen, Herr Engin«, schreit Frau Krummsack auf und wird sogar von meiner eigenen Frau unterstützt.
»Aber liebe, gute Frau Krummsack, ich habe Sie doch nicht persönlich gemeint. Ich sagte: alle Frauen! Ich meine ja nur, dass man das als Beweis für die genaue Uhrzeit nicht gelten lassen kann.«
»Einspruch stattgegeben!«, ruft Opa Prizibilsky. »Herr Krummsack, bitte fahren Sie fort!«
»Also, wie gesagt, es war genau um 18:50 Uhr. Ich kam durch die Haustür zum Flur herein. Im zweiten Stock kurz vor der Wohnungstür von Herrn Engin bemerkte ich etwas unter meinem Schuh. Es war weich, klebrig und gelb. Um einwandfrei feststellen zu können, was es war, putzte ich meinen Schuh an einem alten Fetzen ab, der sich später als Herrn Engins Fußmatte herausstellte. Und es war eindeutig Hundescheiße! Mit anderen Worten: Als ich das Haus betrat, befand sich die Hundescheiße bereits am Tatort! Ich habe sie auf gar keinen Fall mit reingebracht! Ich klingelte bei Herrn Engin, weil es ja ein Mittwoch war, damit er den Flur sauber macht, bevor das Zeug im ganzen Haus verteilt wird. Nun aber weigert sich Herr Engin seit über einer Woche, den Flur sauber zu machen, und behauptet sogar völlig ungerechter- und haltloserweise, dass der Täter mein Hund gewesen sei. Ich will hiermit ganz klar zum Ausdruck bringen, dass Herr Engin lange genug in Deutschland ist, um zu wissen, dass auch andere Hundescheißen und nicht nur meiner! Außerdem ist mein Rambo vom Naturell gar nicht in der Lage, in unseren Hausflur zu kacken. Ein gut erzogener, reinrassiger deutscher Schäferhund würde so was niemals wagen!«
»Herr Engin ist auch lange genug hier in Deutschland, um zu wissen, dass nicht alle Hunde ausgerechnet in unserem Hausflur direkt vor unsere Tür im zweiten Stock scheißen«, zischt meine Frau wütend und kippt dabei vor lauter Aufregung ihr Teeglas um. »Entschuldigung, Frau Fischkopf, ich mache es schnell wieder sauber!«
Da meldet sich Frau Kuckuck zu Wort:
»Liebe Nachbarn, ich möchte den Vorschlag machen, die Zeitungen über der betreffenden Stelle etwas zur Seite zu schieben, damit die Frauen und Kinder dort noch vorbeikommen können. Selbst mit den beiden Löchern, die mein Sohn reingeschnitten hat, ist es für mich immer noch nicht einfach, drüber hinwegzukommen. Eine andere Möglichkeit wäre dagegen …«
Stundenlang erzählt diese praktisch veranlagte Dame, was für Möglichkeiten es gibt, um am Tatort leichter vorbeizukommen. Aber auf die Idee, den Haufen einfach wegzumachen, kommt sie nicht!
Zwischendurch serviert Oma Fischkopf, unterstützt von meiner Frau Eminanim, zum dritten Mal Brötchen mit Käse und Schinken. Die Biervorräte gehen auch langsam zur Neige.
Da es schon nach Mitternacht ist, vertagen wir die Sitzung und beschließen, uns in einer Woche, dann bei Opa Prizibilsky, erneut wegen der Hundescheiße zu treffen. Bevor wir endgültig in unsere Wohnungen gehen,einigen wir uns darauf, dass in die Zeitungen über dem Haufen noch ein zusätzliches Loch der Schuhgröße 43 reingeschnitten wird. Mit dieser wichtigen Aufgabe wird der tapfere Sohn von Frau Kuckuck beauftragt.
Sonntag, 27. Juni
Es war ja vorauszusehen, dass der heutige Sonntag nicht gerade erholsam sein würde, wenn Eminanim und Ingrid, also Mehmets aktuelle Freundin, im Beisein von diesem Kommunisten aufeinandertreffen. Aber dass der Ärger bereits so früh am Morgen oder besser gesagt schon im Morgengrauen losgehen würde, habe ich mir nicht träumen lassen. Wie denn auch? Ich hatte ja auch überhaupt noch keine Gelegenheit zu träumen. Wie ich bereits angedeutet habe, werde ich mitten in der Nacht im schönsten Schlummer von meiner Frau brutal aufgeweckt, indem sie das ganze Bett samt mir unglaublich wild schüttelt – so, als gäbe es ein Erdbeben der Stärke 9,3 auf der nach oben offenen Eminanim-Skala. Es war die stärkste Erschütterung der letzten drei Monate in unserem Schlafzimmer, deren physische und psychische Auswirkungen man jetzt noch nicht abschätzen kann.
»Was? Kommissar Lück? Wo bin ich?«, stottere ich völlig geschockt und total
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