1006 - Das Palladium
damit auch grenzenlos. Wahrscheinlich endeten die Strahlen nur für meinen Sichtbereich unter der Decke.
Tatsächlich aber stießen sie weit in das All hinein, in die Unendlichkeit, hinweg über die Grenze zwischen der sichtbaren und der unsichtbaren Welt.
Warum waren sie erschienen? Wollten sie dafür sorgen, daß ich mich mehr mit der Lade beschäftigte? Sie womöglich öffnete?
Um Himmels willen, das wäre zuviel verlangt gewesen. Der Gedanke trieb mir noch mehr kalten Schweiß auf meine Stirn. Aber er ließ mich nicht los. Er kam mir vor, als hätte man ihn mir bewußt eingepflanzt, und ich verfolgte ihn weiter.
Sollte ich es wagen?
Immer mehr versteifte sich die Botschaft. Mein Inneres war aufgewühlt. Das Zittern blieb, und das Verlangen, die Lade mit der bloßen Hand zu berühren.
Ich bückte mich. Das Kreuz blieb weiterhin in Kontakt mit der Lade, so daß auch die vier Erzengel auf mich niederschauten. Ich lehnte das Schwert gegen die Ecke der Podeststufe und hatte endlich meine rechte Hand frei. Jetzt kam es darauf an.
Was ich dachte, ob ich betete, ob ich mich in andere Gedanken hineinflüchtete, ich weiß es nicht mehr, aber meine gespreizten Finger näherten sich dem Mysterium.
Zu spüren war noch nichts. Die kühle Luft blieb um meine Hand herum, und ich überwand auch die letzte Strecke.
Dann faßte ich sie an!
Es war wunderbar, einfach phantastisch. Kein Stromschlag jagte durch meinen Körper, kein Blitz blendete mich, kein Teppich aus Funken hüllte mich ein. Ich stand einfach nur da, auch wenn meine Haltung steif und abwehrend wirkte, aber das Wissen, dieses uralte Mysterium berühren zu können, ohne daß mir etwas passierte, war schon enorm.
Es war ein Highlight in meinem bisherigen Leben. Möglicherweise sogar das Highlight.
Ich stand da und genoß es. Die Zeit hatte ich längst vergessen, denn auch ich kam mir auf irgendeine Art und Weise zeitlos vor. Es bestand der Kontakt mit dem Boden, keine Frage, aber ich schwebte einfach dahin. Ich fühlte mich so leicht und abgehoben, wobei ich aber nicht in der Lage war, die Gefühle zu beschreiben, die mich überfallen hatten.
Es war einfach wunderbar!
Beobachtet von den Erzengeln. In Sicherheit sein. Etwas Großes erleben. Wundersame Gefühle, die mich forscher machten. Ohne daß ich es wollte, kristallisierte sich in meinem Kopf ein Gedanke fest.
Ich war schon so weit gegangen. Warum sollte ich nicht versuchen, den Deckel der Lade zu öffnen?
Steintafeln mit den Zehn Geboten oder eine mächtige Energiequelle? Was hatte die Lade zu verbergen?
Vielleicht beides?
Ich bewegte meine rechte Hand und drückte gegen das Material.
Es war hart, kam mir härter vor als nur einfaches Holz.
Ich strich über die Lade hinweg. Streichelte sie wie einen ungemein kostbaren Schatz. Dabei schielte ich in die Höhe, wo die beiden Cherubim hockten und sich gegenseitig anschauten.
Dann nahm ich die Hand mit dem Kreuz weg.
Sofort blickte ich gegen das Dach!
Ein kleiner Stein fiel mir vom Herzen. Ich schnaufte vor Erleichterung. Die schattenhaften Gestalten der Erzengel waren noch da und behüteten mich.
Das tat mir gut.
Ich ging an der Lade entlang und berührte sie auch weiterhin mit den Fingern wie jemand, der sich Kraft für seine nächsten Aufgaben holen will. Sie stellte sich nicht gegen mich. Kein Licht, keine tötenden Funken oder Strahlen, so daß ich mir einfach vorkommen mußte wie jemand, der bewußt geschickt worden war.
So hatte sich letztendlich der Wunsch des Wächters Antares auch noch erfüllt.
Vor der Lade blieb ich stehen. Mir war kaum bewußt geworden, daß ich sie umrundet hatte. Aber ich hatte auch nicht herausfinden können, wie der Deckel abzuheben war. Es gab keine Verschlüsse.
Keine sichtbar angebrachten Hebel. Leider konnte mir niemand sagen, wie die Lade damals auf dem Berg Sinai verschlossen und versiegelt worden war. Vielleicht durch Pech oder durch die Kraft des Allmächtigen.
War sie überhaupt seit jener Zeit geöffnet worden? Diese Frage stellte sich ebenfalls. Ich machte mir jetzt den Vorwurf, weil ich Salomo nicht danach gefragt hatte.
Ich trat wieder näher an die Lade heran. Zuvor hatte ich einen Blick in die Höhe geworfen und war beruhigt, weil mich die vier Erzengel noch immer bewachten.
Die Lade war ein flacher Kasten mit einem flachen Deckel, auf dem ebenfalls eine Schmutzschicht lag. Mein Schwert hatte ich mitgenommen, es aber wieder in den Gürtel gesteckt. Das Palladium ließ es zu, daß ich mit den
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