101 - Gangster in London
hat ihn auf der Böschung neben den Geleisen gefunden... Offenbar hatte er ein Schlafabteil belegt, und zwar im Expreßzug nach Schottland. Eine halbe Stunde nachdem der durchgefahren war, entdeckte der Bahnmeister den Toten... «
»Danke!« erwiderte Terry. »Ich komme dann gleich ins Büro!« Jiggs Allerman setzte sich in einen Stuhl, stützte die Ellbogen auf den Tisch und legte den Kopf in die Hände. »Der Alte hat ihm natürlich den Rat gegeben, nach Schottland zu fahren!« knurrte er wütend. »Und der Mann hat es auch tatsächlich getan. Wer ist denn eigentlich dieser Gilsant?« Terry konnte Auskunft geben: Sir George Gilsant war ein wohlhabender Gutsbesitzer und Teilhaber an einem Stahlwerk im Norden Englands; er besaß ein Haus in Aberdeen.
Jiggs nickte. »Wahrscheinlich wäre er in Sicherheit gewesen, wenn er bis dorthin gekommen wäre«, sagte er zu Terrys Erstaunen. »Der Alte war zwar ein arger Dummkopf, aber wenn es uns gelingen sollte, einen der Bedrohten aus London hinauszubringen - ich meine aufs flache Land -, dann werden wahrscheinlich die Gangster von einer Verfolgung ablassen; das würde sonst zu gefährlich für sie. Die offenen Landchausseen kann man leicht überwachen. Wenn man freilich versucht, die Leute aus London im Zug fortzuschaffen, enden sie bestimmt im Leichenschauhaus. Wir müssen unter allen Umständen die Namen und Adressen der Bedrohten herausbringen, und zwar sofort, wenn solche Briefe sie erreichen. Dann allenfalls könnte man sie vor dem Schlimmsten bewahren; wenigstens läge es im Bereich der Möglichkeit.« Er sah auf die Uhr, die auf dem Kamin tickte. »Ist es schon zu spät für eine Sensation in den Morgenzeitungen?«
Terry schüttelte den Kopf. »Nein, die letzten gehen um vier Uhr in die Maschine. Die Geschichte steht bestimmt in den Morgenblättern - daran läßt sich nichts mehr ändern.« Wie sich dann herausstellte, hatte Gilsant sein Haus kurz nach zehn in Begleitung seines Kammerdieners verlassen. Er hatte zwei Schlafabteile für den Zug belegt, der um zehn Uhr dreißig nach Schottland fuhr. Zehn Uhr zehn waren sie am King's-Cross-Bahnhof angekommen. Sir George ging in sein Abteil und schloß sich, wahrscheinlich auf den Rat des Polizeipräsidenten, darin ein.
Das Abteil des Dieners lag am Ende des Zuges. Er wartete bis zur Abfahrt, kam dann in das Abteil seines Herrn und war ihm beim Auskleiden behilflich. Fünf Minuten vor elf verließ er es und wartete, bis Sir George die Tür von innen verschlossen hatte.
Eine Tür führte von Sir Georges Abteil zum nächsten Raum; sie war aber fest verschlossen. Dieses Nebenabteil hatte eine ältere Dame auf den Namen Dearborn belegt. Sie war anscheinend sehr krank und konnte sich nur mühsam mit Hilfe einer Krücke bewegen. Eine bejahrte Krankenschwester, die eine Brille trug, begleitete sie.
Nach der Entdeckung des Toten hatten, auf telegrafische Benachrichtigung hin, die Stationsbeamten mit Hilfe der Polizei den Zug sorgfältig durchsucht. Das Abteil der alten Dame war leer. Der Schaffner erklärte, sie habe, samt ihrer Krankenschwester, den Wagen in Hitchin verlassen, wo der Zug besonders angehalten worden war.
Sir Georges Abteil war von innen verschlossen, ebenso die Verbindungstür. Das Bett zeigte Spuren des Verbrechens, das sich in dem Raum abgespielt hatte. Kissen, Decken, Bettücher und auch die Fensterrahmen wiesen Blutspuren auf. Das Fenster war geschlossen, und die Jalousien waren heruntergelassen. Besonders wurde in dem Bericht noch erwähnt, daß das Reservelaken aus dem Schrank genommen und über das Bett gedeckt war. Die Beamten, die das Abteil betraten, bemerkten deshalb zuerst nichts von dem Verbrechen.
Die Eisenbahnbeamten von Hitchin bestätigten, daß dort zwei Frauen den Zug verlassen hatten. Eine große, schwarze Limousine wartete auf die beiden. Der Fahrkartenkontrolleur an der Sperre war erstaunt, daß sie kein Gepäck bei sich hatten.
Der Bericht über das Verbrechen war so spät in Scotland Yard eingetroffen, daß es keinen Zweck mehr hatte, Straßensperren zu verhängen. Erst ändern Tags erhielt man glaubwürdige Nachrichten über den Verbleib der schwarzen Limousine.
16
»Die Sache kommt allmählich in Fluß«, sagte Jiggs am nächsten Morgen. »Ich bin gespannt, was es heute geben wird.«
»Glauben Sie denn, daß noch mehr Leute Erpresserbriefe erhalten haben? Und meinen Sie wirklich, daß die davon Betroffenen auf so plumpe Manöver reagiert und Geld bezahlt haben?«
»Sicher! Die
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