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101 - Schiffbrüchige des Universums

101 - Schiffbrüchige des Universums

Titel: 101 - Schiffbrüchige des Universums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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erinnerte er sich mit grimmiger Genugtuung an diese Erlebnisse im Grenzbereich menschlicher Erfahrungsmöglichkeit, im Grenzbereich zum Wahnsinn.
    So wusste er zum Beispiel auch, wo die Antriebsmodule der Kontrograven saßen: an Bug und Heck. Zwei kleine Gravitations-Kontrovergierer. Der Dampf aus der Glutsee wich dem Quantenfeld aus, das sie unter dem Schweber erzeugten, strömte leicht beschleunigt einige Längen vom Bordrand weg und stieg erst dort in den Himmel. Wie eine Kuppel umgab eine dampffreie Zone den Schweber.
    Eine ungeheure Erregung erfüllte alle, auch ihn. Es war die Zeit, in der jedem Daa'muren bis hinunter zu den frisch geschlüpften Leqs klar war, dass die Gestirnumkreisungen gezählt waren: Das Tor ins Nichts würde den Sieg davontragen.
    Loos'wan'hil, wie es auf Daa'murisch hieß. Auch diese Bezeichnung würde Smythe nie wieder vergessen.
    Er tauchte unter. Die Glut umhüllte ihn wohlig. Sein Körper spannte sich an, die Schuppenquasten stülpten sich aus, knarrten, knirschten wie ein verrostetes Kettenhemd. Dann schoss sein Körper aus der Glut und landete auf dem gewölbten Rand des Kontrograven.
    Andere Körper berührten ihn und zogen ihn an Bord.
    Hunderte aus den symbiotischen Einheiten der Est und der Ora tummelten sich in der Lava, die die Fahrzeugmulde ausfüllte.
    Einige schabten einander die Quasten, ein paar besaßen die Nerven, in dieser Situation zu spielen – sie würfelten mit aus Seeswanzahn geschnitzten Septaedern. Die alle drängten sich am Wulstrand, denn die langgezogene Mitte des Schwebers wurde von den Kristallen vereinnahmt. Kristalle von der halben Größe der daa'murischen Körper, für jeden an Bord einen.
    An der Spitze des Kontrograv-Schwebers lag die Kommandokonsole. Dort winkte einer nach ihm. »Komm zu uns, Est'hal'bowaan!« Der Sol. In einer Kristallschale thronten die uralten, gewaltigen Körpermassen Ora'sol'guudos auf der Konsole vor einem spiralförmigen, in Gabeln aus geschliffenem Gestein aufgehängten Kristall. Er wedelte mit gespreizter Quastenhand. »Komm her zu mir!«
    Während der junge Hal zur Kommandokonsole schwamm, setzte sich der Kontrograv in Bewegung. Est'hal'bowaan sprang auf die Konsole. Der Sol deutete auf den Sichtkristall, und der junge Daa'mure drückte seinen Stirnwulst gegen das in geschliffenen Quarzstein gefasste Okular.
    Noch nicht sehr oft hatten die Sils und Luns ihn ins All blicken lassen, und den Sichtkristall zu berühren hatte etwas Erhabenes für ihn. Die Randsichel einer der beiden Mu'ran-Sonnen flimmerte im unteren Sichtfeld. Durch den Lichtfilter erschien sie als brodelnde blaue Masse. Darüber wölbte sich, umgeben vom Geflimmer der Milchstraße, eine schwarze, an den Rändern zerfaserte Halbkugel.
    »Siehst du es?«
    Der Hal nickte. »Ja. Ich sehe es. Das Tor ins Nichts.«
    Ein erregender Augenblick. Für Est'hal'bowaan, als er es sah, für Est'sil'bowaan, während er sich daran erinnerte, wie er es gesehen hatte, und für Smythe, als er sich später daran erinnerte, wie Est'hal'bowaan in Est'sil'bowaans Erinnerung durch das Sichtkristall zum ersten Mal das Loos'wan'hil sah.
    Und wieder wusste er sofort und ganz genau, was es mit diesem Tor ins Nichts auf sich hatte – oder Est'sil'bowaans Gedächtnis, in dem er schwamm, wusste es. Es saugte die Energie der Zwillingssonne in sich hinein. Das Loos'wan'hil war Schuld, dass Daa'mur erkaltete und seine Bewohner in die Tiefen der Milchstraße fliehen oder untergehen mussten.
    Die meisten würden untergehen. Auch das hatte sich schon bis zu den Leqs herumgesprochen.
    ***
    Der Gedanke, Natalja Sem könnte bluffen, kam ihm erst, als der Encephalorobotowitsch eine halbe Stunde später verkündete, die zweiundvierzig Objekte seien wieder vom Radarschirm verschwunden. Klar doch, dachte Onopko in diesem Moment, sie ziehen eine Show ab, wollen uns erschrecken, wollen uns weismachen, wie gefährlich und wie nahe der angebliche Feind vom Kratersee schon ist. Und wie sehr wir versagt haben…
    Zu diesem Zeitpunkt hatte die Sem bereits drei AMOTs zur Verstärkung von Perm II angefordert. Aus seiner zum Strafappell angetretenen Mannschaft trafen Onopko immer häufiger erschreckte Blicke.
    Die These vom Bluff setzte sich in seinem Kopf fest.
    Irgendwie erleichterte sie Leo Onopko. Überall sah er plötzlich Anzeichen, die sie zu bestätigen schienen: die entspannte Haltung der Bunkergardisten auf Natalja Sems Flaggpanzer, die Erlaubnis für seine Adjutantin, sich setzen zu dürfen –Saskia

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