1012 - Schick sie in die Hölle, Marek!
»Und was könnte das sein?« flüsterte er.
Titus hob die Schultern. »Ich weiß es nicht. Ich kenne leider keine genauen Zusammenhänge.«
Bruder Basil überlegte angestrengt. Er glaubte dem Stellvertreter nicht. Zumindest nicht alles. »Aber etwas weißt du schon, nicht wahr?«
Basil bekam ein zögerndes »Ja« zur Antwort.
»Bitte, rede weiter. Vielleicht kann ich sogar helfen. Woher hast du die Informationen?«
»Aus dem alten Buch, dem Erbe der Vergangenheit.« Titus rang die Hände. »Es ist uns hinterlassen worden wie ein kostbarer Schatz. Ich habe darin geblättert und gewisse Dinge herausgefunden. Nicht alle, aber einige schon.«
Bruder Basil schüttelte den Kopf. »Keiner von uns kennt dieses Buch, abgesehen von den Äbten.«
»Davon kann man ausgehen. Ich habe es auch nur durch einen dummen Zufall entdeckt, aber es ist gut, daß wir jetzt darüber Bescheid wissen. Bruder Josh war ein Hexenmeister. Wahrscheinlich ist es ihm nur deshalb gelungen, die Vampire zu vernichten. Weil er eben über besondere Kräfte verfügte.«
Basil hatte nicht richtig hingehört, weil seine Gedanken abgeschweift waren. »Können wir dann davon ausgehen, daß es auch Father Ignatius gekannt hat, bevor er nach Rom ging?«
Titus hob die Schultern. »Das ist alles möglich. Gesprochen hat er darüber nie. Aber weißt du, wie man den Bruder Josh auch noch genannt hat?«
»Nein.«
Titus schaute zu Boden, als er die Antwort gab. »Man nannte ihn Rasputin.«
»Wie?«
»Ja, du hast richtig gehört. Rasputin, wie dieser russische Mönch am Zarenhof.«
Basil hatte einen Schauer bekommen und bekreuzigte sich hastig.
»Rasputin«, flüsterte er. »Das war doch ein Magier, ein Dämon und…«
»Auch ein Mönch«, ergänzte Titus.
»Wie konnte man Bruder Josh nur mit ihm vergleichen?«
»Ich habe keine Ahnung.«
Basil starrte auf den leeren Sarg. »Fest steht allerdings, daß er entkommen ist oder weggeholt wurde. Da gehen unsere Meinungen wohl nicht auseinander?«
»Nein.«
»Wer soll ihn geholt haben?« fragte Basil leise.
»Geholt haben…?«
Über diese Bemerkung wunderte sich Basil. Langsam drehte er sich um. Seine Augen hatten sich verengt. Er schüttelte sogar den Kopf. »Glaubst du, daß er…?«
Titus nickte. »Ja, Basil, ich glaube durchaus, daß er von allein den Sarg verlassen hat.«
»Als Toter?« Bruder Basil war aufgeregt. Er schnappte nach Luft.
»Als Toter den Sarg verlassen?«
Titus schaute zu Boden. »Das kann ich dir alles nicht sagen, Bruder. Ich muß nur das Schlimmste befürchten. Inzwischen halte ich nichts mehr für unmöglich.«
»Da hast du wohl recht. Nichts auf dieser Welt ist mehr unmöglich. Diese Dinge haben sich verändert. Wir warten auf fünf Vampire, auf Gestalten, die es nicht geben darf, die aber trotzdem existieren.« Er schüttelte den Kopf. »Ich komme damit nicht zurecht. Mein Leben hier ist auf den Kopf gestellt worden. Da entpuppt sich ein Abt als Hexenmeister. Ein Toter verläßt seinen Sarg, und man muß sich die Frage stellen, ob er tatsächlich tot gewesen ist. Kann es nicht auch sein, daß man ihn lebendig begraben hat? Inzwischen halte ich alles für möglich. Für mich ist die Welt aus den Angeln gehoben worden, aber hier in St. Patrick ist ja nichts so normal, wie es hätte sein müssen. Dieses Kloster ist tatsächlich ein Bollwerk gegen das Böse. Nur schafft es die andere Macht auf der anderen Seite immer wieder, die Mauern zu überwinden, und das macht mir Angst.«
Titus legte seinem Mitbruder die Hand auf die Schulter. »Wir sollten uns nicht zu viele Gedanken machen, auch wenn es uns schwerfällt. Es ist am besten, wenn wir hier die Krypta verlassen und gehen. Bist du einverstanden?«
»Ja, das bin ich.«
»Dann komm, bitte.«
Sie warfen noch einen letzten Blick auf den Sarg. Wobei sich wohl jeder fragte, wo die Person geblieben sein konnte, doch eine Antwort war nicht möglich.
Sie gingen mit schweren Schritten die Stufen hoch. »Als hätte er es genau gewußt«, murmelte Basil.
»Was hätte er gewußt?«
»Daß die Vampire den Sumpf verlassen. Das war gut getimt. Da ist auch er aus dem Sarg gestiegen. Es paßt alles zusammen, und auch Marek ist nicht zufällig hier erschienen. Das hat schon alles seinen Sinn, kann ich dir sagen.«
»Da kannst du recht haben«, gab Titus zu.
Sie verließen das alte Gewölbe. Titus drückte die Tür zu und schloß sie auch ab.
Das Kloster St. Patrick war ihre Heimat, aber beide fühlten sich plötzlich wie in der
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