1020 - Das Viren-Experiment
Dunkelheit der Berge hinauf.
Ringsum in den Häusern gingen die Lichter an. Fenster wurden aufgerissen und fragende Rufe erklangen. Von allen Seiten liefen Bewohner von Shonaar herbei.
Im Licht der Scheinwerfer konnte Margo sehen, daß Rütgers Gesicht bleich geworden war.
Sie hörte den Bürgermeister einen Fluch murmeln. Innerhalb weniger Minuten strömten Tausende von Bürgern auf den freien Platz und bestürmten Rütger und die Männer und Frauen, die in den offenen Luken der Gleiter kauerten, mit Fragen.
Die ansonsten so ruhige Siedlung war jäh aus ihrer Beschaulichkeit gerissen worden.
Wer den Lärm in den Bergen noch als etwas Erklärbares abgetan hatte, wurde spätestens beim Anblick der startbereiten Gleiter mit ihren Besatzungen davon überzeugt, daß etwas Außergewöhnliches vorging. Rütger war innerhalb kurzer Zeit zwischen aufgeregten Menschen eingekeilt. Vergeblich versuchte er, sie mit schnell konstruierten Erklärungen zu beruhigen. Schließlich verschaffte er sich gewaltsam Platz und kämpfte sich bis zu einer der Maschinen durch. Dort kletterte er auf einen der Stummelflügel, die aus dem Heckteil herausragten und hob beide Arme zum Zeichen, daß er sprechen wollte.
Die Menge kam zur Ruhe, das Durcheinander wurde überschaubar.
„Ich möchte, daß ihr alle wieder in eure Häuser zurückkehrt und uns nicht an der Ausführung unseres Auftrags hindert", klang Rütgers Stimme über die Köpfe der Zuhörer hinweg. „Oben in den Wanderbergen hält sich ein Außerirdischer auf, der offenbar in eine Notlage geraten ist. Wir brechen nun auf, um ihn zu finden und um ihm beizustehen."
Ein kleiner, energisch wirkender Mann, der nur das Unterteil eines Pyjamas trug, trat aus der Menge.
„Der Krach, den wir hörten, kann unmöglich von einem einzelnen Wesen erzeugt worden sein, Bürgermeister. Was geht wirklich dort oben vor? Besteht für die Siedlung eine Gefahr?"
Beifälliges Raunen begleitete seine Worte.
Rütger stemmte beide Arme in die Hüften.
„Die meisten von euch sind Raumfahrer", sagte er. „Sie alle sind schon Bewohnern fremder Welten begegnet und wissen, wie schwer es ist, diese Geschöpfe richtig einzuschätzen. Geduld und Verständnis sind dazu erforderlich. Was wir nicht brauchen können, sind Unüberlegtheit und vorschnelles Handeln."
Seine Erklärung fand bei vielen Menschen Zustimmung, zumindest löste sie Nachdenklichkeit aus.
„Die Kosmische Hanse wurde über den Zwischenfall unterrichtet", fuhr Rütgers fort. „Ich bin sicher, daß von Terrania aus inzwischen die notwendigen Maßnahmen eingeleitet wurden. Die für den Einsatz während eines Ausnahmezustands ausgewählten Bürger und ich werden inzwischen in die Berge hinauffliegen, um nachzusehen, was sich dort abspielt. Es besteht keinerlei Gefahr für Shonaar. Kehrt in eure Häuser zurück. Ihr erhaltet einen detaillierten Bericht, sobald ich weiß, was eigentlich geschehen ist."
Zögernd begann die Menge sich aufzulösen. Überall blieben diskutierende Gruppen stehen.
Margo Ogden war sicher, daß kaum jemand in dieser Nacht Schlaf finden würde. Der gräßliche Laut klang noch in ihren Ohren nach, und sie ahnte, daß er ihr noch lange Zeit Alpträume bereiten würde.
Rütger wiegelte alle weiteren Fragen resolut ab und sprang von der Maschine herunter.
Er winkte Margo und Terrel zu, ihm in den mittleren Gleiter zu folgen.
„Ich hoffe nur", brach Kadek sein langes Schweigen, „daß wir Waffen dabei haben."
Die Pädagogin starrte ihn bestürzt an.
„Dort oben erwartet uns nichts Gutes", ergänzte er.
*
Die Gesichter der beiden jungen Menschen, die im Eingang der Hütte auf Quinton und Deerno warteten, waren von übermächtiger Furcht entstellt. Flüchtig dachte der Pilot daran, daß das Pärchen sich seinen Aufenthalt in den Wanderbergen vermutlich ganz anders vorgestellt hatte. Aus dem Innern des kleinen Gebäudes ertönte ein Summton, vermutlich versuchte jemand, Bildsprechfunkkontakt mit den Bewohnern herzustellen.
Quinton konnte sich vorstellen, daß dies Reinhild und Rarg waren, die, aufgeschreckt durch den Lärm, die Initiative ergriffen.
Er war entschlossen, sich nicht damit aufzuhalten.
„Wir kommen von der Verwaltung", stieß er rau hervor. „Drüben steht unser Gleiter, mit dem wir euch von hier wegbringen werden."
„Beeil dich!" jammerte Deerno, dem offenbar völlig entging, daß der andere in dieser Situation das Kommando übernommen hatte.
Der junge Tourist warf einen Blick in
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