1020 - Doriel
Furcht und auch Bedrückung.
Da stimmte was nicht…
Sie holte tief Luft. Der Herzschlag hatte sich etwas beschleunigt. Nervös fuhr sie mit den Händen über die wasserdichte Jacke hinweg. Sie suchte immer wieder das Ufer ab und konnte es jetzt besser sehen. Das Boot würde nicht auf einem flachen Stein- oder Sandstrand auslaufen, sie mußte es schon in eine der kleinen Buchten hineinmanövrieren, um an Land gehen zu können.
Ein anderes Boot dümpelte nicht am Ufer. Morgan Chadwick hatte auch keinen kleinen Hafen bauen lassen. Überhaupt sah die Insel unbewohnt aus. Wald gab es nicht. Was da in verschiedenen Grüntönen wuchs, waren mehr Gestrüpp, Gesträuch oder niedrige Pflanzen, die den Erdboden wie einen Flaum bedeckten.
Dazwischen schauten die Köpfe irgendwelcher Steine oder manchmal auch Felsen hervor. Grau, verwittert wie auch das Gestein, aus dem das Haus gebaut worden war.
Das Boot glitt auf die Insel zu. Jane hatte dabei den Eindruck, als würde sich ihr das Eiland nähern, denn es wurde immer größer und auch die Felsen davor. Grau, verwittert wie auch das Gestein, aus dem das Haus gebaut worden war.
Es hielt sich kein Mensch auf der Insel auf; zumindest zeigte sich keiner. Sie hätte ganz locker sein können, denn mit der Einsamkeit kam sie gut zurecht, wenn sie ehrlich war.
Hier nicht. Hier schien sie all ihre Gefühl einfach über Bord geworfen zu haben.
Um sie herum wellte das Wasser. Da der Nebel so gut wie hinter ihr lag, hatte es jetzt wieder seine normale Farbe angenommen. Wellen, die aussahen wie Glas, bewegten sich aufeinander zu, zerstörten sich, bildeten sich neu, waren auch klar, und trotzdem konnte Jane nicht mal einen halben Meter in die Tiefe schauen. Dort war das Wasser schon trübe. Vom Grund her mußte Schlamm hochgewirbelt worden sein, der einen Blick auf den Grund unmöglich machte.
Sie fuhr weiter. Der Motor tat seine Pflicht. Er kam ihr jetzt laut vor. Nur konnte das nicht der Grund ihrer Unruhe sein.
Vor ihr nahm die Tiefe ab. Zum Ufer hin wurde das Wasser flacher. Sie sah die ersten Hindernisse aus den Wellen wachsen. Nasse Felsen, die wie Köpfe schimmerten und unterschiedliche Formen aufweisen. Dabei waren sie von schaumigen Wellenbärten umgeben.
Dann passierte es.
Urplötzlich schoß jemand aus dem Wasser hervor. An der rechten, der Steuerbordseite. Jane Collins sah nur einen Schatten. Sie schrie unwillkürlich auf, drehte sich dann nach rechts und hatte den Eindruck, als wäre die Zeit stehengeblieben. Sie nahm wirklich alles nur zeitverzögert wahr. Sogar die Gestalt schien in der Luft festgehakt zu sein, damit Jane sie genau betrachten konnte.
Vor ihr schwebte Frankenstein!
***
Das genau war ihr erster Gedanke, als sie den Menschen oder das Ding sah, das aus dem Wasser geschossen war. Ein unförmiger, eckiger Mann mit einem ebenfalls eckigen und sehr breiten Gesicht, zu dem der Mund und die blicklosen Augen ebenso paßten wie die helle, betonartige Haut, die nun naß glänzte. Auch die Kleidung war naß und grau, und die mächtigen Hände glichen den Pranken irgendeines Raubtiers. John klammerte sich an der Bordwand fest, so daß das Boot nach Steuerbord hinüber krängte.
Sie verlor das Gleichgewicht. Er will dich ins Wasser reißen! schoß es ihr durch den Kopf. Er will das Boot kippen. Er will dich ertränken. Diese Gedanken lähmten Jane nicht. Sie stachelten sie nur zu hektischer Aktivität an. So konnte sie mit einem zielsicheren Griff eines der Ruder packen.
Bevor der andere das Boot zum Kentern bringen konnte, stieß Jane bereits zu. Sie hatte mit dem flachen Ruderende auf die Kehle der Gestalt gezielt und sie auch getroffen.
Er gurgelte nicht, als er den Druck spürte. Kein Laut des Schmerzes drang auf seinem breiten Maul, aber er ließ los, weil die Wucht eben zu groß gewesen war.
Jane konnte zuschauen, wie seine Hände abglitten, schlug sicherheitshalber noch einmal zu, dann bekam sie das Klatschen mit, wie der Körper zunächst aufschlug, um schließlich im Wasser des Loch Fannich zu versinken.
Das Boot kippte wieder zurück. Es schaukelte hin und her, so daß auch Jane für einen Moment die Orientierung verlor und sich mit der freien Hand festhalten mußte, um nicht doch noch über Bord geschleudert zu werden.
Der Schock war ihr tief in die Glieder gefahren. Er hatte auch für einen höheren Herzschlag gesorgt und zugleich für einen Schweißausbruch. Sie starrte ins Leere. Die Gedanken wirbelten. Es war schwer für sie, den Wirrwarr
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