1023 - Monster-Queen
trank nicht mehr, für ihn gab es nur noch die andere Straßenseite mit den beiden erleuchteten Fenstern.
Es war ein helles, aber kein kaltes Licht. Es wurde auch nicht von irgendwelchen Gardinen oder Stores gefiltert, die Scheiben lagen einfach blank. Wie auf dem Präsentierteller und zum Durchsehen geeignet. Auch heute fragte sich Dancer wieder, ob Cynthia wirklich nicht wußte, welche Schau sie da jeden Abend vor dem Zubettgehen abzog und auch noch vor den Augen eines Spanners.
Er hatte sich ihr nie zu erkennen gegeben. Aber es wohnten noch andere Mieter in diesem Haus, die ebenfalls auf das Fenster schauen konnten. Ob sie auch dort hockten und Cynthia zuschauten?
Die Antwort interessierte ihn nicht. Er wollte nur seine Cynthia sehen, und er würde sie wieder zu Gesicht bekommen.
Sie ging durch das Zimmer. Lässig, aber mit schaukelnden Hüften.
Dabei hatte sie den Kopf leicht schräg gelegt, wie jemand, der über etwas Bestimmtes nachdachte, sich aber noch nicht für eine bestimmte Lösung entschieden hatte.
An diesem Abend trug sie eine Kleidung, die der Spanner noch nicht kannte. Eine grasgrüne Bluse, weit geschnitten und mit einem schalartig fallenden Ausschnitt, unter dessen Stoff sich die beiden nackten Brüste bewegten.
Dancer kicherte. Dafür hatte er einen Blick. Da hätte er nicht einmal das Fernglas gebraucht, das er nicht mehr in seinen Händen hielt. Er hatte es auf das kleine Stativ gestellt. So konnte er schauen und bekam keine schweren Arme.
Ja, auch die Brüste schaukelten bei jeder Bewegung, und die blonde Lockenpracht tanzte ebenfalls auf und nieder, als bestünde sie aus zahlreichen lockeren Korkenziehern.
Ihr Gesicht war eine Sünde der Natur. Sie hatte es einfach zu schön werden lassen. Kindlich noch, trotzdem reif. Ein wenig an die junge Brigitte Bardot erinnernd. Dazu paßte der Schmollmund mit den Kußlippen, die kleine Nase, die Augen in einer Meeresfarbe, die etwas vollen Wangen und natürlich die lasziven Bewegungen des Körpers.
Schon allein wie sie durch die Wohnung schritt, war das für Dancer kein normales Gehen. Es glich mehr einem Auftritt der Königin der Nacht, die in einer heißen Bar um die Tageswende herum einen noch heißeren Strip hinlegte und ihren nackten Körper dabei an einer Metallstange rieb. Ja, sie war die Queen. Sie war einfach einmalig.
Und ich darf den Anblick Abend für Abend genießen, dachte Dancer. Ausgerechnet ich.
Die Tür zu seiner Wohnung war verschlossen. Die Klingel abgestellt. Niemand sollte ihn in der folgenden halben Stunde stören.
Und auch danach nicht, wenn er wie im Fieber in seinem Bett lag und nicht schlafen konnte, weil ihm diese erregenden Bilder nicht aus dem Sinn wollten.
Selbstverständlich hatte er daran gedacht, sich eine Video-Kamera zu kaufen, um alles aufzunehmen. Vielleicht würde er es später einmal tun, aber das Live-Erlebnis bekam ihm noch besser.
Zum grünen Oberteil trug Cynthia einen schwarzen Rock. Sehr kurz, sehr eng, aus Stretch-Material bestehend. Schwarze, hochhackige Schuhe gehörten ebenfalls dazu, denn so kamen ihre langen, perfekten Beine am besten zur Geltung.
Cynthia war an der Schmalwand stehengeblieben. Sie betrachtete dort ein Bild. Die Hände hielt sie in die Hüften gestützt, die Unterlippe hatte sie leicht vorgeschoben, das rechte Bein war eingeknickt.
Das Bild schien ihr zu gefallen, und auch Dancer kannte es.
Als Motiv diente eine erotische Szene. Zwei Männer kümmerten sich auf einer Wiese liegend um eine Frau. Die Männer waren bekleidet, die Frau nicht, aber ihrem Gesicht war anzusehen, daß sie das Spiel der fremden Finger an ihrem Körper genoß, Dancer mochte das Bild nicht. Er stellte sich immer vor, daß es Cynthia war, die sich den beiden hingeben wollte. So etwas konnte er auf keinen Fall gutheißen. Er betrachtete die wunderschöne Frau beinahe schon als Eigentum.
Sie ging zurück und drehte sich dem Fenster zu.
»Gut, gut«, flüsterte sich Joel selbst zu. »Das ist alles hervorragend. So soll es bleiben.«
Sie stand jetzt vor dem von ihm aus gesehen rechten der beiden Fenster. Zwischen den Scheiben wuchs ein Stück altes Mauerwerk aus rostig wirkenden Ziegelsteinen und zahlreichen grauen Flecken.
Noch nie hatte Cynthia ihre Schau hinter diesem Stück abgezogen.
Das würde sich auch an diesem Abend nicht ändern, denn wieder bewegte sie sich auf das Fenster zu und blieb dicht davor stehen.
Dancer atmete heftiger. Sein Gesicht schien mit dem Fernglas verwachsen zu sein,
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