1023 - Monster-Queen
Er hatte sie geholt, einfach so. Anschließend mitgeschleppt.
Aber wohin?
In seiner Kehle kratzte es. Gedankenverloren wischte er die Handflächen am Stoff der Jeanshose ab. Wohin konnte so ein Monster eine fast nackte Frau mitnehmen?
Dancer hatte keine Ahnung. Er wußte überhaupt nichts mehr.
Überallhin, aber das war Quatsch, denn er hatte noch mitbekommen, wie beide in die Wand hineingetaucht waren.
Ja, in die Wand, als wäre sie nicht vorhanden gewesen. Als hätte sie sich einfach aufgelöst.
Aber das war unmöglich. In einem normalen Zimmer konnte sich eine Wand nicht einfach auflösen, ohne daß die anderen davon in Mitleidenschaft gezogen wurden.
Die aber waren geblieben, das wußte er genau. Sie hatten sich nicht bewegt, nicht einmal gezittert. Schließlich hatte er alles sehr genau mitbekommen.
Er hörte sich stöhnen. Das kleine Badezimmer war zu einer Sauna geworden. Darin konnte er sich nicht wohl fühlen, und das Fernglas auf dem Stativ blickte er an als wäre es ein Fremdkörper. Er mußte sich überwinden, um noch einmal vor ihm seinen Platz einzunehmen. So starrte er wieder hindurch.
Die Optik war noch gut justiert. Er schaute direkt in das andere Zimmer hinein, in das leere Zimmer, denn von Cynthia Carinelli war nichts mehr zu sehen. Nur ihr Rock lag wie ein schwarzer Teerfleck auf dem Fußboden, und das Licht brannte auch.
Wo steckte sie jetzt? Wohin hatte das Ungetüm sie geschafft? Er konzentrierte sich jetzt auf die Wand, um zumindest so etwas wie ein Hindernis zu entdecken.
Stück für Stück suchte er sie ab. Er strengte sich dabei an. Sie war für ihn momentan wichtiger geworden als Cynthias Strip. Es gab nichts zu entdecken. Keinen Hinweis, keine Spur. Da war einfach nur die Wand mit der Tapete.
Eine Farbe zwischen beide und gelb und nicht mehr die allerneueste, denn Schmutzflecken waren schon zu sehen. Sie störten ihn nicht. Er kannte sie ja von den anderen Beobachtungen her.
Dancer konnte sich einfach nicht beruhigen. Was er gesehen hatte, war phänomenal gewesen, und er wußte auch, daß er in dieser Nacht keinen Schlaf finden konnte.
Das war einfach unmöglich. Auch wenn er sich hinlegte, würde er immer wieder in bestimmten Zeitabständen aufstehen, ins Bad gehen, um durch das Glas zu schauen, ob sich in der Wohnung gegenüber etwas tat oder sich etwas verändert hatte.
Wahnsinn war das. Nicht erklärbar. Nicht zu fassen. Der Raum kam ihm vor wie eine Zelle. Es war zudem viel zu warm. Er mußte ihn unbedingt verlassen.
Als Joel die Tür geöffnet hatte, verließ er die Schwüle und trat hinein in die kühlere Luft des Flurs. Er war winzig, reichte ihm jedoch aus. Zwei Türen zweigten ab. Durch die eine gelangte er in die kleine Kochküche, durch die andere in sein normales Zimmer, einen mit schlichten Möbeln eingerichteten Wohnraum.
Er ging in die Küche. Ein kleines Quadrat, in dem gerade das Nötigste seinen Platz gefunden hatte. Ein Kocher, ein schmaler Schrank, ein Kühlschrank, der Tisch, die winzige Spüle, Stühle und auch eine kleine tragbare Glotze.
Er schaltete sie nicht ein, nachdem er die Tür des Schranks geöffnet hatte und nach der Flasche griff. Whisky. Ein Glas brauchte er nicht. Aber eine Dose Bier. Die holte er aus dem Kühlschrank. Sie beschlug schnell an den Außenseiten, denn auch in der Küche war es stickig und schwül. Joel öffnete das Fenster.
Die Nacht steckte voller Geräusche. Er wohnte in keiner unbedingt ruhigen Gegend; auch bei Dunkelheit war das Leben draußen zu hören. Die Autos, die Stimmen der Menschen. Das Hupen, die Musik aus den Kneipen mischten sich zu mächtigen Schallwellen zusammen, die an der Hauswand in die Höhe bis in den dritten Stock stiegen, wo er wohnte.
Zuerst kratzte der Whisky in seinem Hals. Dann spülte er das Kratzen mit Bier weg.
Es tat ihm gut, sich erfrischen zu können. Alles war eigentlich glatt gelaufen. Ein Tag wie jeder andere auch, der Abend hatte ebenfalls gut begonnen, dann aber war es zu diesem Vorfall gekommen, mit dem er nicht zurechtkam.
Auch jetzt grübelte Dancer darüber nach. Er suchte nach einer Lösung. Er wußte auch, daß es sie geben mußte, aber er fand nicht den Dreh. Ein paarmal schon hatte er gegen seine Stirn geschlagen und sich gesagt, daß er einfach zu blöde war. Danach hatte er seine Meinung revidiert. Nein, er war nicht zu blöde. Jeder andere hätte die gleichen Probleme bekommen wie er. Was da geschehen war, paßte in keine Schublade.
Etwas Ungewöhnliches. Etwas
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