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103 - Panoptikum der Geister

103 - Panoptikum der Geister

Titel: 103 - Panoptikum der Geister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Larry Brent
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väterliche Erbe
übernehmen sollen, aber er zeigte kein Interesse dafür. Nach dem Tod seiner
Eltern verkaufte er das Gestüt, legte das Geld in Aktien an und begann seine
zunächst als Hobby betriebene Tätigkeit ganztägig aufzunehmen. Nun gab es keine
Arbeit mehr auf dem Besitz und dem Gestüt. Eine alte Ruine, rund zwölf Meilen
von dem Ort High Wycombe entfernt, hatte seit jeher den Hunters gehört. George Hunters Großvater erstand sie vor siebzig Jahren für ein
paar Pfund von einem verarmten Lord, der Spielschulden hatte und sich vor seinen
Gläubigem nicht mehr zu retten wusste. Georges Großvater hatte vor, aus der
Ruine mal ein Ausflugsziel mit Restaurant und Hotelbetrieb zu machen. Aber dazu
war es dann nie gekommen. Das Gemäuer zerfiel weiterhin. Von allem Grundbesitz
aber hatte George Hunter, dessen Lieblingsspielplatz schon als Kind die
Turmruine war, nur diesen behalten. Hier sollte mal sein Kabinett stehen. Seine
finanzielle Unabhängigkeit, durch das Erbe des Vaters und den Aktienbesitz,
ermöglichte ihm die Erfüllung seines Wunschtraumes. Der Eigenbrötler Hunter
beschaffte sich Bilder und Beschreibungen aller Größen der Weltgeschichte.
Ungewöhnliche Menschen, egal auf welche Weise sie immer auch von sich Reden
gemacht hatten, interessierten und faszinierten ihn. Dazu gehörten die großen
Maler, Musiker und Forscher ebenso wie die Mörder, Wahnsinnigen und
fremdartigen Gestalten, die irgendwann in der Geschichte aufgetaucht waren und
Angst und Schrecken verbreiteten. Dass Gestalten wie Dracula und Frankenstein,
Medusa und der einäugige Zyklop, Vampire und Untote ins Gespräch gekommen
waren, musste einen Grund haben. Für Hunter existierten sie, wenn nicht in der
Fantasie der Menschen, dann in seinem Panoptikum. Er hatte alles für sich
geschaffen und arbeitete auch jetzt noch jeden Tag in der Werkstatt, um neue
Charaktere zu formen. In dem großen Gewölbe mit den zahlreichen Nischen,
Mauervorsprüngen und Ecken wirkte der Mann wie ein Alchimist. Überall standen
Behälter und Schalen herum, Farbtöpfe, Pinsel und geschmeidiges Wachs, das sich
unter seinen schmalen, langen Fingern formte. Der Besitzer des Kabinetts war
als Original in der Gegend bekannt. Er lebte allein. Er war völlig durch sein
Hobby ausgefüllt, freute sich aber auch, wenn Besuch kam. Zwar machte George
Hunter keine große Reklame mit seinem privaten Wachsfiguren-Panoptikum und
kündigte es nicht in Zeitungen an. Dennoch kamen hin und wieder Besucher, die
gern einen Blick auf George Hunters Sammlung werfen wollten. Er ließ sie auch
ein und freute sich wie ein Kind, wenn man ihm sagte, dass man so etwas hier in
dieser Gegend und dem alten Gemäuer mit dem Turm nie erwartet hätte. Der Mann
legte letzte Hand an die Gestalt, an der er seit Wochen arbeitete. Seit drei
Tagen war die Farbe trocken, und nun hatte Hunter der Puppe die Kleider angelegt.
Jedes einzelne Stück hatte er selbst maßgeschneidert. „Sitzt wie angegossen.“
Hunter klatschte wie ein zufriedenes Kind in die Hände. Er hatte sich ein
kindliches Gemüt bewahrt und war zufrieden mit dem Aussehen seines Quasimodo.
Diesmal hatte er den Buckligen dargestellt, der in dem weltberühmten Roman Der
Glöckner von Notre Dame eine tragische Rolle spielte. „Quasimodo“, murmelte
Hunter fröhlich und umkreiste die neugeborene Gestalt. „Ich glaube, du bist mir
gelungen ...An dir hätte ich mir fast die Zähne ausgebissen ... Ich weiß schon
nicht mehr, wie oft ich in den letzten Jahren versucht habe, dich zu gestalten.
Immer wieder bist du mir missglückt. Aber jetzt gefällst du mir. So musst du
wirklich ausgesehen haben.“ George Hunters fest schwarze Augen glänzten
fiebrig. Er merkte nicht, dass er sprach. Es war ihm schon zur Gewohnheit
geworden, sich mit seinen wächsernen Geschöpfen zu unterhalten, als wären es
lebende Menschen, die ihr Dasein mit ihm teilten. Und er war es auch gewöhnt,
dass er der einzige war, der sprach. Seine Geschöpfe, die er so liebte, waren
und blieben stumm ...
    Der
mittelgroße Mann umkreiste seine Neuerung immer wieder. Der Bucklige stand vor
ihm. Seine hervorquellenden Augen schimmerten und wirkten lebendig. Man meinte,
er würde bloß den Atem anhalten. Aber diesen Eindruck vermittelte nicht nur die
massige, furchteinflößende Gestalt, sondern jede einzelne Wachsfigur in dem
Panoptikum, zu dem sämtliche Räume der ehemaligen Ruine gehörten. Hunter
wuchtete die Wachspuppe über die Schulter und schleppte sie aus der

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