1035 - Die Totenkammer
Ja, ja, das hast du gewollt. Aber ich lasse es nicht zu. Sie gehört mir. Sie wird mir immer gehören.«
Mandy fiel zu Boden. Levines Stimme versickerte in einem unverständlichen Gebrabbel. Mit einer schwerfälligen Bewegung drehte er sich wieder seiner Frau entgegen.
Wie eine Zuschauerin stand die untote Brenda Little nahe der Tür und schaute zu. Mit ihren vom Körper abgespreizten Armen sah sie aus wie ein einsamer Wächter. So bekam sie mit, wie Mandy Frost sich nicht mehr auf den Beinen halten konnte. Sie war über ihre eigenen Füße gestolpert und fiel zurück.
Genau dorthin, wo die Kerzen standen.
Zwei fielen um.
Mandy rolle nicht auf sie. Der Zufall wollte es, daß sie zwischen ihnen zu liegen kam. Der Wink des Schicksals hatte auch dafür gesorgt, daß die beiden Flammen nicht erloschen waren. Sie bewegten sich noch huschend über den Boden, als wollten sie ein bestimmtes Ziel finden.
Das fanden sie auch!
Für einen Moment war ein Knistern zu hören, als das Totenhemd der Mandy Frost Feuer fing. Der Stoff war trocken wie altes Papier und brannte im Nu lichterloh.
Dann ging alles blitzschnell. Vom Saum her fraß sich das Feuer weiter. Im Nu hatte es das gesamte Kleidungsstück erfaßt und glitt auf Schulter und Kinn zu.
Mandy lag auf dem Rücken.
Sie bewegte sich nicht einmal.
Sie schrie auch nicht, während sich die Flammen daranmachten, ihre Haut und auch die Haare zu verbrennen.
Professor Levine aber schaute nur zu und lachte…
***
Wir hörten das Lachen des Mannes und erlebten auch, wie hell das Licht plötzlich geworden war. Durch eine offene Tür huschten die dunklen Schatten wie schwarzgraue Schnipsel über den Boden hinweg und dabei begleitet von düsteren Lichtreflexen. Das alles wies darauf hin, daß irgend etwas in diesem verdammten Keller brannte.
Wir beeilten uns. Rücksicht war jetzt fehl am Platz. Sekunden später erreichten wir durch die offenstehende Tür einen Raum, in dem ein offener gläserner Sarg stand.
Mehr war nicht zu sehen. Das wahre Geschehen spielte sich im zweiten Kellerraum links von uns ab.
Ein Blick reichte uns aus.
Auf dem Boden lag eine brennende Gestalt, die wir brennen ließen, denn sie war kein Mensch, sondern eine lebende Tote. Das Feuer nahm uns nur die Arbeit ab.
Ich betrat den Keller als erster. Mein Blick zuckte nach links. Ich wollte auch nach rechts schauen, doch dann trat die Sekunde ein, in der ein Mensch erstarrt.
Mir erging es zumindest so.
Ich schaute der letzten Untoten ins Gesicht, und sie blickte mich direkt an. Es war nicht die Tatsache der lebenden Leiche, die mich starr werden ließ, es war einfach ihr Aussehen, denn diese Frau kam mir bekannt vor. Ich hatte sie auf dem Bild gesehen, das mir ihr Vater, David Little, gezeigt hatte.
Sie war seine Tochter Brenda.
Und sie kam auf mich zu. Jetzt gehorchte sie nur noch ihrem Trieb.
Sie wollte mich killen, zerreißen, wie auch immer, und sie lief genau in meine Kugel hinein.
Plötzlich zeichnete sich mitten auf ihrer Stirn ein Loch ab. Genau dort hatte meine Kugel sie erwischt. Das Loch war da. Es wirkte wie ein rundes Auge, aber es füllte sich von innen mit einer dicklichen Flüssigkeit. Bevor sie noch nach außen rinnen konnte, stolperte Brenda Little über meinen ausgestreckten Fuß und schlug auf den Boden auf. Möglicherweise war sie auch von allein gefallen, denn das geweihte Silber zerstörte derartige Existenzen sehr schnell.
Die andere brannte noch immer.
Die Flammen hatten einen geschlossenen Vorhang um die Gestalt gebildet. Darin zeichnete sich schwach der Umriß der Untoten ab.
Mit einer wahren Gier hatte das Feuer nicht nur das Totenkleid zerstört, sondern auch einen großen Teil der Haut, die sich zusammenzog, als wäre sie mit einer scharfen Säure besprüht worden und dabei ihre bleiche Totenfarbe verlor. Sie schwärzte allmählich ein, und der Gestank, der von der brennenden Untoten ausging, war kaum auszuhalten.
Was tat Suko?
Ich hörte ihn schreien!
Nein, nicht er schrie. Es war ein anderer Mann, eine mir fremde Person. Trotzdem wußte ich, daß es nur Professor Tristan Levine sein konnte, der einfach nicht aus dem Keller herauswollte.
Er schrie nicht nur, er wehrte sich auch dagegen, von Suko in die Höhe gezogen zu werden.
Mein Freund hielt Levine am linken Arm fest. Mit dem freien Arm schlug der Professor um sich und versuchte, Suko zu treffen. Egal, wo. Er zielte nach seinem Magen, auch tiefer, und Suko mußte sich schon bewegen, um den Treffern zu
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