1040 - Madonna auf dem Höllenthron
meine Art und Weise versuchen.«
»Kreuze sind tödlich für Vampire!« flüsterte sie mir zu. »Das weiß ich, und dein Kreuz wird dieses unheilige Ding zerstören.«
Ich lächelte und nickte ihr zugleich zu. Meinen Talisman hielt ich schon bereit. Ich schob Julia sicherheitshalber zurück, damit sie nicht in Gefahr geriet.
Dann beugte ich mich über das Gemälde. Diesmal galt mein Interesse der Blutfrau. Der widerliche und ekelhaft verzogene Mund. Die beiden säbelartigen Vampirzähne, der kalte und zugleich wissende Blick ihrer Augen, der offene Mund, aus dem Blut geronnen war. Das hier war ein Teil von ihr, ein Stück des verfluchten und auch untoten Daseins. Es mußte einfach zerstört werden.
Mein Kreuz schwebte darüber hinweg. Erste Wärmestrahlen rieselten durch meine Hand. Noch war die Distanz zwischen der Blutfrau und meinem Kreuz zu groß, als daß es zu einer heftigen Reaktion gekommen wäre. Es blieb relativ ruhig.
Ich drehte es so herum, daß sein längerer Balken nach unten zeigte und auf den offenen Mund zielte. Schon einmal hatte ich das Kreuz in ein offenes Maul gepreßt, und diesmal würde ich den gleichen Weg wählen.
Ich senkte es tiefer.
Kontakt!
Jemand schrie.
Es war kein Schrei einer Vampirin, Julia hatte ihn ausgestoßen, denn was wir beide sahen, war gerade für sie kaum zu glauben. Sie erlebte den Urkampf zwischen Gut und Böse oder zwischen Licht und Finsternis…
***
Wie ein Tier kroch Madonna über den schmutzigen Boden. Den langen Rock zog sie hinter sich her, und es sah so aus, als wäre ihre Gestalt länger als gewöhnlich.
Madonna war mit allem zufrieden, was man ihr gab. Für sie zählte nur die andere, die neue Welt, in der sie sich austoben konnte, denn auch in dieser Welt gab es Menschen, und diese Menschen hatten sich nicht verändert. In ihren Adern floß Blut.
Blut… Blut!
Immer nur dieses eine Wort. Es tobte wie ein Schrei durch ihren Kopf.
Madonna lechzte danach, Blut trinken zu können. Sie war leer. Sie fühlte sich nicht gut, so schrecklich trocken, aber sie würde es bekommen. In dieser Zeit warteten die Menschen auf sie. Sie würde ihre Zähne in Körper schlagen und die süße Nahrung des Lebens in sich aufsaugen.
Helfer gab es immer wieder, zu allen Zeiten hatte es sie gegeben. War es damals dieser Lorenzo gewesen, den sie auf ihre Seite gezogen hatte, so war es heute ein anderer Mann, der ihrer gefährlichen Schönheit völlig verfallen war.
Er würde alles tun, was sie wollte, und er würde ihr auch die erste Nahrung besorgen. Noch in dieser Nacht, das hatte er ihr versprochen, konnte sie das Versteck verlassen.
Noch befand sie sich in diesem Kellerverlies, in dem es so ekelhaft roch.
Alte Töpfe mit Resten von Lacken und Farben standen an einer Wand.
Auch der Boden, über den sie kroch, war beschmiert, und sie robbte mit schlangenähnlichen Bewegungen weiter auf das Ziel zu, das an der gegenüberliegenden Wand stand. Es war eine breite Sitzbank. Dort wollte sie sich niederlegen und durch die Holzunterlage das Gefühl erhalten, in einem Sarg zu liegen.
Es war hier nicht finster, aber das dünne Licht machte ihr nichts aus. Die Lampe war in eine Fassung über der Tür an die Wand geschraubt worden. Staub bedeckte die Birne wie ein dünner Film, und er filterte das Licht.
Madonna erreichte die Bank. Sie hob den rechten Arm an und klammerte sich mit der Hand fest. Sehr mühsam zog sich die Blutsaugerin in die Höhe. Zu lange hatte sie den köstlichen und warmen Lebenssaft nicht mehr genießen können. Es wurde wirklich Zeit, daß sie noch in der Nacht zubiß. Es war ihr versprochen worden. Eine junge Frau sollte ihr erstes Opfer werden.
Darauf hätte sie sich freuen müssen, das wäre normal gewesen, aber sie freute sich nicht, denn eine sehr tief sitzende Ahnung teilte ihr mit, daß einiges nicht mehr stimmte und nicht so gelaufen war, wie es hätte sein müssen.
Jetzt verfluchte sie ihre Einsamkeit, da niemand vorhanden war, den sie fragen konnte. So war sie auf sich gestellt, auf ihre Gedanken und Überlegungen.
Was stimmte da nicht?
In Madonnas Umgebung war alles so geblieben. Äußerlich gab es keinerlei Veränderungen, aber auch Vampire besitzen Ahnungen. Von ihnen war sie ebenfalls nicht befreit.
Nein, da war nicht alles so gelaufen, wie es hätte sein sollen. Jemand war in die Szenerie hineingeraten. Ein noch Unsichtbarer, dessen Aura sie allerdings spürte.
Sie war gefährlich…
Madonna verzog ihren Mund. Ein Geräusch, das
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