1040 - Madonna auf dem Höllenthron
endgültig verstummen könnte, aber ich wollte noch etwas von ihm wissen.
»Du kennst sie doch, Lorenzo. Wo ist sie jetzt…?«
Ich hörte ihn stöhnen, danach ein leises Winseln. Er schien bereits zu sterben. »Du mußt es wissen. Du wirst sie finden, aber zerstöre das Bild, ich bitte dich…«
Schluß - aus - Ende!
Ich wollte es nicht akzeptieren, deshalb fragte ich nach. Doch jede meiner Fragen stieß ins Leere. Eine Antwort erhielt ich nicht mehr.
Lorenzo hatte seine Pflicht getan und sich zurückgezogen. Doch seine Worte hatte ich nicht vergessen. Sie waren tief in mein Gedächtnis eingegraben worden.
Ich stand beinahe da in der Haltung eines Verlierers und starrte auf das Gemälde, ohne das Motiv richtig wahrzunehmen. Mein Blick glitt hindurch, und ich kam mir auch auf irgendeine Art und Weise verloren vor.
Die Aufklärung war kompliziert gewesen, letztendlich aber einfach, wenn man die Zusammenhänge kannte. Ich hatte mit dem Knochensessel oft genug zu tun gehabt. Er gehörte mir, aber ich hatte ihn bei meinen Templer-Freunden gelassen. Dort war er sicherer aufgehoben als in meiner eigenen Wohnung.
Tief holte ich Luft. Das Herz schlug noch immer schnell. Mir war kalt und warm zugleich. Die dünne Haut auf meiner Stirn schien zu brennen, und ich fragte mich immer wieder, welch eine Person diese Madonna war.
Gut, eine Vampirin aus der Vergangenheit. Woher sie allerdings stammte, woher sie kam, das alles war mir fremd. Ich tippte auf ein südliches Land. Italien oder Spanien, ja, die iberische Halbinsel. Nur war das nicht mehr wichtig. Die Vergangenheit hatte sich geöffnet. Dank Lorenzo, der ein schlechtes Gewissen besaß, wußte ich, was damals geschehen war. Ihn würde ich nicht mehr hören und ihn auch nicht als lebende Person sehen. Er hatte nur sein Gewissen entlasten wollen, um nun in Ruhe sterben zu können - in Avalon!
Ich interessierte mich für sein Gesicht.
Es strahlte Ernst und auch Güte aus. Dieser Mann war gezwungen worden, einen bestimmten Weg zu gehen, und er hatte das beste daraus gemacht.
Als sich zwei weiche Frauenhände auf meine Schultern legten, zuckte ich zusammen. Julia Ross war dicht hinter mich getreten. Ich spürte ihren Körper an meinem Rücken.
»Ich habe alles gehört, John. Es ist faszinierend gewesen. Glauben und fassen kann ich es noch immer nicht. Daß es andere Welten gibt, na ja, irgendwo akzeptiere ich es auch, aber mehr ihm astrophysikalischen Sinne. Doch Brücken zwischen den Welten sind mir schon fremd. Begriffe wie Avalon und Zeitreisen das ist einfach zu hoch für mich.«
»Klar, Julia. Wer damit nichts zu tun hat, der wird immer befremdet darüber sein.«
»Ich akzeptiere es aber, denn ich vertraue dir, John.«
»Danke.«
»Ich habe auch diese verdammte Fledermaus akzeptiert. Ich würde mir wünschen, daß sie es gewesen ist. Diese arrogante und auch verdammte Madonna.«
»Es ist nur ein Name«, sagte ich.
»Trotzdem. Ich mag ihn nicht mehr. Mit dem Namen Madonna habe ich immer etwas anderes verbunden, das kannst du mir glauben. Deshalb stehe ich ihr skeptisch gegenüber. Ich hätte mich niemals so genannt, das kannst du mir glauben.«
»Sie hat auch anders gedacht als du, Julia. Sie wollte ihre Schönheit behalten und mußte sie mit Blut erkaufen. Und sie fühlte sich schön wie eine Madonna.«
Julia ging zur Seite, damit sie das Bild besser betrachten konnte. »Nein, John, sie ist keine Madonna. Für mich ist sie einfach nur eine widerliche Blutbestie.«
»Da schließt das eine das andere nicht aus.«
»So denke ich auch.«
»Hast du auch gehört, was man mir geraten hat? Um endgültig Ruhe zu haben, muß das Bild zerstört werden. Es darf keine Verbindung zwischen den beiden Sesseln mehr geben. Die magische Brücke muß eingerissen werden, und das werde ich jetzt tun. Es ist mir auch egal, was dein Chef dazu sagen wird. Wahrscheinlich ist es ihm nicht möglich, eine Erklärung zu akzeptieren, aber uns bleibt nichts anderes übrig.«
»Dann tu es, John!« Sie schüttelte den Kopf. In ihrem mädchenhaften Gesicht wechselte der Ausdruck. »Ich hasse dieses Bild, denn so etwas bringt nur Unglück, John.«
»Da muß ich dir zustimmen.«
»Wie willst du es machen? Verbrennen? Willst du das verdammte Stück Leinwand in Flammen setzen?«
»Nein.« Ich tippte mit dem Finger gegen die bemalte Leinwand. »Darin steckt etwas Böses, Julia. Das muß einfach verschwinden. Das muß ich herausholen, vertreiben oder vernichten. Und ich werde es auf
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