1040 - Madonna auf dem Höllenthron
normal, daß Julia diese Bitte an mich herangetragen hatte, nur hatte sie dabei vergessen, daß es diese Blutfrau zweimal gab.
Auf dem Bild war sie nicht gefährlich und nur abschreckend gewesen. In der Realität sah dies anders aus, und das mußte ich leider sagen.
Sie hörte mir auch zu, und dabei veränderte sich der Ausdruck in ihrem Gesicht. Herbe Enttäuschung malte sich dort ab. Wieder ballten sich die Hände zu Fäusten, eine Geste, die einfach zu ihr gehörte. »Ja, ich habe verstanden, John.«
Ich ging auf sie zu und mußte sie einfach berühren. Beide Hände legte ich auf ihre Schultern. »Hast du das denn auch begriffen, Julia? Kannst du dich in meine Lage hineinversetzen?«
»Das weiß ich nicht. Ich muß ja wohl, denn du gehst davon aus, daß es Madonna richtig gibt?«
»Ja, warum hätte mich der Mönch belügen sollen? Es war ihm ein Herzenswunsch, die Wahrheit zu sagen. Ich habe da zu im volles Vertrauen, Julia.«
»Natürlich«, flüsterte sie, »das muß man ja wohl. Tut mir leid, daß ich so anders gewesen bin.«
»Das bist du nicht gewesen.«
Sie hob die Schultern an. Verlegen war sie geworden. »Soll ich dann allein gehen?«
»Willst du es?«
»Das weißt du doch. Ich fühlte mich allein unsicher. Ich würde mich in deiner Nähe sicherer fühlen, obwohl ich weiß, daß diese schreckliche Gestalt existiert. Ich möchte trotzdem bei dir bleiben. Ist das so schlimm?«
Ich schaute in ihre bittenden und gleichzeitig verträumt wirkenden Augen. Sie hatte einiges mitgemacht, und für ihre Angst gab es bestimmt Gründe. »Wenn du willst, Julia, dann kannst du bei mir bleiben. Du mußt dich nur in Sicherheit bringen, wenn uns diese Blutfrau begegnet. Das Versprechen…«
»Kann ich dir geben, John, danke.« Sie wirkte so erleichtert und war plötzlich auch agil, beinahe wie aufgedreht. »Wir müßten die Umgebung hier absuchen.«
»Damit können wir beginnen.«
»Innen und außen.«
Ich nickte. »Das ist in diesem Fall dein Spiel, Julia, denn du kennst dich hier aus.«
Sie nagte an der Unterlippe. »Ja, das ist gar nicht übel«, murmelte sie vor sich hin. »Vampire werden sich verstecken wollen, wie ich sie einschätze.«
»Durchaus möglich. Sie lieben die Dunkelheit. Noch bleibt es einige Stunden so.«
»Ich denke gerade darüber nach, ob sie draußen besser aufgehoben ist als hier im Innern.«
»Tja, Julia«, sagte ich, denn ich wußte, daß sie auf eine Antwort wartete.
»Ich will nicht protzen, doch ich habe ein gewisse Erfahrung sammeln können. Deshalb gehe ich davon aus, daß sich Madonna tatsächlich im Innern verborgen hält.«
»Da gäbe es Möglichkeiten, John. Dieser Werkstatt ist eine Kunsthandlung angeschlossen oder umgekehrt. Die Räume sind groß, darin stehen Ausstellungsstücke, die groß genug sind, um einen Menschen vor fremden Blicken zu verbergen.«
»Wunderbar. Und man kommt von hier in diese Galerie?«
»Klar doch.« Julia zeigte an mir vorbei, und ich drehte mich um, weil ich auch etwas sehen wollte.
Bis wir beide das scharfe Lachen und dann die bösartig klingende Stimme hörten. »Welch ein nettes Paar. Wie aus einer Liebeschnulze, ihr beiden Hübschen. Aber wenn ihr euch bewegt, dann schieße ich euch zusammen wie den letzten Dreck…«
***
Diesmal war ich geschockter als Julia Ross. Bevor ich reagierte, drang der leise Schrei aus ihrem Mund, der dann in einen fragenden Satz endete. »Scotty - du?«
»Ja, ich, meine Süße!«
Scotty! Der Name flirrte mir durch den Kopf. Ich hatte ihn schon gehört.
Plötzlich fiel bei mir die Münze. Natürlich dieser George Scott, auch Scotty genannt, war der Besitzer der Galerie und zugleich Julias Chef.
»Was ist denn los?« Julias Stimme vibrierte.
»Merk dir zunächst einmal, daß ich es bin, der die Fragen stellt und auch die Befehle gibt. Es wäre besser für deinen Freund, wenn er die Hände hebt. Ich habe einen verdammt nervösen Zeigefinger, und der liegt ausgerechnet am Abzug einer Maschinenpistole. Mit einer einzigen Salve kann ich euch beide zur Hölle schicken. Jetzt liegt es an Sinclair, wie ich reagiere.«
»Keine Sorge, Mr. Scott. Sie können sich Ihre Kugeln sparen.«
»Dann hoch mit den Armen.«
Das tat ich auch.
»Und jetzt werden Sie Julia verlassen. Sie gehen schön brav zur Seite, aber nicht zu weit. Immer daran denken, daß die Mündung auf einen von euch beiden zielt. Sollte sich einer etwas einfallen lassen, ist der andere tot.«
»Ich kenne die Regeln.«
»Sehr gut,
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