1040 - Madonna auf dem Höllenthron
zwischen Knurren und Fauchen lag, drang über ihre Lippen und breitete sich innerhalb der Kammer aus. Die Blutfrau wollte sich nicht mehr hinlegen. So hockte sie mit angezogenen Beinen auf der schlichten Holzbank, die Arme um ihren Oberkörper geschlungen, und starrte aus bösen Augen auf die alte Holztür an der gegenüberliegenden Seite.
Sie war so verschlossen, so dicht. Sie hätte Monate gebraucht, um sie mit ihren Fingernägeln durchzukratzen. Das war nicht nötig. In dieser Nacht sollte sie vom köstlichen Blut einer jungen Frau trinken können.
Der Gedanke daran, gepaart mit der Vorstellung, es zu tun, machte sie rasend. In ihrer Phantasie spielten sich die wüstesten Szenen ab.
Sie sah sich, sie sah die andere. Beide waren sie nackt und wälzten sich auf dem Boden hin und her wie zwei Frauen in einem heißen Liebesspiel.
Ihr Spiel war auch so etwas wie Liebe. Blutliebe. Eine manchmal wüste und dann wieder unterschwellige Erotik, die zu männlichen und auch weiblichen Vampiren gehörte.
Madonna jaulte auf. Sie warf ihren Kopf nach links und rechts. Sie konnte die Hände nicht mehr am Körper behalten, preßte zwei Finger der linken Hand in ihren Mund, stellte sich vor, daß es die Haut eines Opfers war, und biß hinein.
Kein Schmerz.
Zwei Bißwunden blieben zurück. Kein Blut!
Ich bin leer - leer! schoß es ihr durch den Kopf. »Ich brauche es, ich will es haben…« Sie lachte plötzlich, und es klang wie ein Schreien. »Und ich werde es bekommen!«
Noch lange echote ihr Gelächter, bis Madonna zur Seite kippte und auf die Pritsche fiel. Die Vorstellung, sich nackt mit ihrem Opfer über den Boden zu wälzen, hatte ihr gutgetan, aber das andere Gefühl nicht vernichten können.
Es war weiterhin vorhanden. Sie merkte, daß es sich verdichtete und sie durcheinanderbrachte. Madonna wußte auch, daß Vampire Feinde besaßen. Das war früher so gewesen, und das hatte sich nicht geändert.
Jetzt war der Feind in der Nähe. Nicht sichtbar, aber da. Trotzdem bewegte sie ihren Kopf, schaute nicht nur auf die Wände des alten Kellerraums, sie ließ die Blicke auch an der schmutzigen Decke entlanggleiten, an der Spinnennetze klebten wie Wollknäuel.
Da war nichts zu sehen. Nichts zu spüren. Kein Vibrieren, keine Tritte.
Sie wartete. Dann zitterte sie. Urplötzlich strömte das andere auf sie über. Es war so fern und doch so nah. Sie selbst wurde nicht berührt, es waren die Leiden und Schmerzen einer anderen, die sie spürte, aber es waren ihre Qualen.
Das Brüllen hörte sich mehr als schaurig an. Es klang so laut, als sollten die Wände brutal zerstört werden. Madonna bekam sich nicht mehr unter Kontrolle. Ihre furchtbaren Schreie hallten auch in den folgenden Sekunden. Der Körper zuckte. Die Sitzbank konnte Madonna nicht mehr halfen. Sie rollte über die Kante hinweg und prallte auf den Boden, wo sie zunächst als wimmerndes Bündel zurückblieb und sich vorkam, als wäre sie vernichtet worden oder noch dabei, endgültig zu sterben.
Schmerzen zuckten wie Feuerlohen durch ihren Körper und ließen sie leise wimmern. Sie erlebte ein Stück Vernichtung ihrer selbst. Das Band oder die Brücke, die sie einmal gehalten hatte, gab es nicht mehr.
Jemand war gekommen und hatte mit einer alles vernichtenden Kraft diese Schiene zerschlagen.
Erst nach einer geraumen Weile kam ihr wieder in den Sinn, daß sie noch lebte. Wie ein krumm geschlagener Nagel hatte sie bisher leblos auf dem Boden gelegen.
Das änderte sich nun, als sie die Beine ausstreckte. Das Zucken durchlief ihren Körper, und sie schlug mit den Hacken immer wieder auf.
Danach rollte sie sich herum, blieb zunächst auf dem Bauch liegen und stemmte sich hoch.
Sie kniete breitbeinig. Sie schaute auf die Tür. In ihrem Kopf lag der Inhalt wie dichte Watte, die allmählich vor sich hinglühte. Madonna achtete darauf nicht, da sie etwas sehr Wichtiges gehört hatte. Vor der Tür war jemand. Sie hatte den Klang seiner letzten Schritte noch mitbekommen.
Dann blieb er stehen.
Sie sah ihn nicht, aber sie roch ihn. So wie er rochen nur Menschen, in deren Adern das frische Blut floß. Die Schmerzen der letzten Minuten waren vergessen, die nackte Gier nach dem roten Lebenssaft drängte sich bei ihr nach vorn.
Außen drehte sich quietschend ein Schlüssel im Schloß. Kurz darauf bewegte sich die Klinke nach unten.
Jetzt war die Tür offen…
Von der anderen Seite her trat jemand dagegen. Zweimal mußte er es tun, dann schwang die Tür nach innen,
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