1041 - Der Rächer
Welt und einer Gesellschaft, die er verlassen hatte.
Okay, er hatte einmal dazugehört. Er hatte auch die hehren Worte gepredigt, aber diese Zeiten lagen zurück. Sie waren abgeschlossen.
Um es genauer erkennen zu können, brauchte er nur in den Spiegel zu schauen, da wußte er dann Bescheid.
Noch war das Benzin nicht verdunstet. Der Boden schimmerte naß. Er wollte es auch nicht soweit kommen lassen. Nur kein Risiko eingehen, alles mußte perfekt sein.
Der Rächer trat zurück, bis er die Tür der Sakristei erreicht hatte.
Auf der Schwelle hielt er an. Die Ränder seiner Nasenlöcher bewegten sich zuckend, als er den scharfen Benzingeruch einatmete. Aus der rechten Hosentasche holte er einen bereits vorsorglich zusammengedrehten Lappen hervor.
Das Feuerzeug steckte in der linken Tasche.
Noch Sekunden bis zum Finale.
Der Rächer lächelte.
In diesem Augenblick bekam er mit, wie sich die Kirchentür öffnete. Sein Kopf ruckte herum. Er schaute zur Tür hin und fluchte innerlich über die Dunkelheit.
Dennoch konnte er sehen, was dort geschah.
Drei Personen betraten die Kirche.
Eine Frau und zwei Kinder!
***
Der Rächer stand für einen Moment wie festgewachsen. Die Überraschung hatte ihn gelähmt, denn damit hätte er nicht gerechnet. Er war sich so sicher gewesen, und jetzt das.
Was tun?
Die Gedanken jagten durch seinen Kopf. Zurückziehen, den Plan vergessen? Das wäre eine Möglichkeit gewesen, um die drei Menschen zu retten. Dann aber wäre er schon beim erstenmal…
Seine Gedanken brachen ab. Das Gesicht veränderte sich auf eine schreckliche Art und Weise. Es gab das wieder, was sich im Innern des Rächers abspielte.
Nein, es gab kein Zurück!
Er bewegte das Rädchen des Feuerzeugs, der Funke sprühte, die Flamme war da, und für einen Moment hoffte er, daß die Benzindämpfe noch nicht so nahe an ihn herangekommen waren, um zu brennen und auch ihn in Flammen setzten.
Mit einem wuchtigen Wurf schleuderte der Rächer den brennenden Lappen in die Benzinlache hinter dem Alter…
***
Wie immer knarrte die Kirchentür, wenn sie geöffnet wurde. Das frische Holz hatte sich verzogen, aber die Shannons kannten das Geräusch und hörten es kaum noch. So etwas konnte sie nicht davon abhalten in die Kirche zu gehen.
Wie immer an den letzten Abenden empfing sie das kleine Gotteshaus dunkel. Es brannten keine Kerzenlichter, und auch die Metallampen an der Decke waren nicht eingeschaltet. Auch darüber wunderte sich niemand aus der Familie. Mit den anderen Gemeindemitgliedern war abgesprochen worden, Energie zu sparen. Das elektrische Licht wurde nur gebraucht, wenn eine Messe stattfand.
An diesem Abend war das nicht der Fall. Die Familie war zudem nur gekommen, um gemeinsam zu beten. Maureen Shannon hatte ihren Kindern auch eine gewisse Ehrfurcht beigebracht. Im Gotteshaus benahmen sich alle entsprechend der Umgebung. Um so verwunderlicher war es, als Wayne sagte: »Hier stinkt es nach Benzin, Mum.«
Maureen wollte schon widersprechen, doch dann roch sie es selbst. Da hatten die drei die Kirche bereits betreten, und hinter ihnen schwang langsam die Tür zu.
»Ja, stimmt«, sagte Linda schnüffelnd. »Es riecht wirklich so.«
Maureen Shannon schluckte. Sie gab keine Antwort. Aber auch sie hatte es gerochen, und plötzlich wurde ihr kalt. So etwas in einer Kirche wahrzunehmen, war einfach ungeheuerlich. Normalerweise war es unmöglich, aber zugleich jagten Gedanken in ihr hoch, die ihr innerhalb von Sekunden Angst einjagten. Sie fühlte sich plötzlich wie eine Gefangene. In ihrem Kopf kreisten die Gedanken. Sie war in ein tiefes Loch gefallen, denn dieser Geruch hatte die Realität von ihr weggeschwemmt. Sie kam damit nicht zurecht.
Wayne reagierte schon besser. »Laß uns wieder gehen, Mum. Das ist hier so komisch.«
Maureen wollte es auch. Sie nickte. Sie wollte sich umdrehen – und sah das Licht.
Nicht in ihrer Nähe, weiter entfernt, noch schräg hinter dem Altar tanzte für einen Moment eine kleine Flamme. Das war auch nicht das Licht einer Lampe, da mußte jemand eine Kerze anzünden wollen. Vielleicht der Pfarrer, der sie gesehen hatte.
Das Licht bewegte sich. Es ging alles wahnsinnig schnell, aber Maureen Shannon und ihre drei Kinder erlebten es wie verlangsamt.
Sie kamen auch nicht auf die Idee, in tödliche Gefahr geraten zu sein, doch das sollten sie in den folgenden Sekunden erleben, denn aus der recht kleinen Flamme wurde ein Inferno.
Die drei Menschen hätten noch eine Chance
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