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1043 - Engelkinder

1043 - Engelkinder

Titel: 1043 - Engelkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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die Arme verdreht, die Hände hatte die Frau beim Sprung zu Fäusten geschlossen, und aus der rechten Faust ragte etwas Weißes hervor. Ein Blatt Papier, möglicherweise ein Abschiedsbrief, um den ich mich kümmern wollte. Ich versuchte, ihn aus der Faust zu zupfen, als mich eine Hand an der Schulter erfaßte und zurückzerrte.
    »Lassen Sie das!« fuhr mich ein Feuerwehrmann an. Er war wohl der Einsatzleiter.
    Ich zeigte ihm meinen Ausweis.
    »Das ist etwas anderes«, sagte der Mann.
    Ich machte weiter. Es war leicht, den Zettel oder das Blatt Papier aus der Faust zu zupfen. Ich konnte den zusammengeknüllten Zettel auffalten und lesen. Dabei stellte ich mich hin und drehte mich weg, da ich mich allein um die letzte Botschaft der Frau kümmern wollte.
    In Großbuchstaben hatte sie mit zittriger Schrift nur einen Satz auf das Blatt geschrieben, und das mit einem rotminigen Kugelschreiber.
    ICH BIN EIN ENGELKIND!
    ***
    »Ich bin ein Engelkind!« Zweimal las ich den Satz halblaut vor. Die Botschaft hatte eigentlich nur mir selbst gegolten, sie war allerdings vom Einsatzleiter gehört worden, der sofort nachfragte, denn gelesen hatte er den Text nicht.
    Er besaß ein Recht auf eine Antwort.
    Ich zeigte ihm den Fund. Der Mann las, kratzte dabei über sein Kinn und schüttelte schließlich den Kopf. »Tut mir leid. Damit kann ich nichts anfangen. Sie etwa, Mister?« Er blickte mich prüfend an.
    »Nein, leider nicht.«
    Der Feuerwehrmann war aus dem Gleichgewicht gebracht worden. »Ich habe schon einiges über Abschiedsbriefe gehört oder gelesen, aber dieser Begriff Engelkind ist mir fremd. Ihnen auch, Mr. Sinclair?«
    »Leider.«
    »Hört sich fast weihnachtlich an.«
    Ich verzog die Lippen und grinste säuerlich. »Das ist es sicherlich nicht. Diese Engel haben nichts mit dem Fest zu tun. Da steckt etwas anderes dahinter.«
    »Glaube ich auch. Nur ist es nicht unsere Aufgabe, Nachforschungen darüber anzustellen. Darum wird sich die Polizei kümmern müssen. Oder vielleicht Sie?«
    »Kann sein.«
    Der Mann wollte mehr wissen, wußte aber nicht, wie er es anfangen sollte. »Ähm, ich will ja nicht zu neugierig sein, Mr. Sinclair. Aber ist es Zufall, daß Sie hier vorbeigekommen sind?«
    »Bestimmt nicht. Ich wohne hier.«
    »Ach - in diesem Haus?«
    »Ja, im zehnten Stock. Vier Etagen über der Selbstmordwohnung.«
    »So ist das«, sagte er leise und gedehnt. »Dann war Ihnen die Frau wahrscheinlich bekannt.«
    Ich mußte verneinen. »War sie nicht. Sie wissen ja, wie das in diesen großen Mietshäusern abläuft. Hier ist alles ziemlich seelenlos. Niemand kennt den anderen. Die Leute leben quasi aneinander vorbei. Man sieht sich, man registriert sich, ein kurzer Gruß - wenn überhaupt -, das ist es dann auch gewesen. Ich kenne nicht einmal den Namen der Toten. Kann sein, daß sie mir hin und wieder begegnet ist. Wissentlich auf keinen Fall. Das sage ich Ihnen.«
    Wir wurden beide abgelenkt, denn der Hausmeister wollte sich einen Weg bahnen, wurde aber zurückgehalten. Er protestierte. Die Beamten an der Absperrung blieben hart. »Erst muß hier aufgeräumt werden, dann können Sie etwas unternehmen. Ob Sie nun Hausmeister sind oder nicht. Das spielt keine Rolle.«
    Ich ging zu den Kollegen, um dem Hausmeister freie Bahn zu verschaffen. Als der Mann mich sah, wirkte er erleichtert. »Gut, daß Sie dabei sind, Mr. Sinclair. Man will mir hier Schwierigkeiten machen.«
    »Lassen Sie den Mann durch.«
    Der Hausmeister hieß Myers. Er wirkte durcheinander und sprach immer davon, daß er beim Friseur gewesen war und deshalb den Selbstmord verpaßt hatte. »Wer ist es denn, Mr. Sinclair?«
    »Ich weiß nur, daß es eine Frau ist und sie im sechsten Stock gewohnt hat. Ihren Namen kenne ich nicht.«
    »Darf ich sie sehen?«
    Die Tote war noch nicht abtransportiert worden. »Sicher, Mr. Myers, kommen Sie.«
    Der Hausmeister brauchte nur einen Blick auf die Tote zu werfen, um Bescheid zu wissen. Er stand aber da und zitterte, denn der Anblick war nichts für schwache Nerven. Sehr schnell drehte er sich zur Seite, ging auch weg und schüttelte den Kopf.
    Ich wartete, bis er sich wieder etwas gefangen hatte. »Kennen Sie die tote Mieterin mit Namen?«
    Sprechen konnte er noch nicht. Deshalb nickte er. Er holte aus der Tasche eine Blechschachtel und entnahm ihr ein dünnes Zigarillo. Ich gab ihm Feuer und schirmte dabei die Flamme mit der Hand ab. Nachdem er einige Züge geraucht hatte, begann er zu reden. »Die Frau wohnt noch nicht

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