1045 - Zombie-Eulen
gelegen.
Das Zucken reichte aus.
Die Umgebung explodierte. Zumindest kam es der Frau so vor. Ein gewaltiger Krach, ein scharfer, stechender Geruch, und die gesamte Umgebung schien in Fetzen zu fliegen. Ihr kam es vor, als hätte sich die Zeit verlangsamt. Die Eule explodierte. Die Ladung hatte sie zerfetzt, so daß sie förmlich auseinanderflog.
Federn, Knochen, die Augen gab es nicht mehr, nur wenig Blut, aber die Reste der Eule verteilten sich im Zimmer und damit weg vom Tisch. Mara begriff im ersten Moment noch nicht, was sie da getan hatte, der scharfe Geruch klebte in der Nase. Sie atmete durch den Mund, starrte auf die Reste, hockte noch immer breitbeinig unter dem Tisch und wunderte sich erst Sekunden später darüber, daß sie nicht angegriffen wurde.
Das Echo des Schusses war verklungen. Eine ungewöhnliche Ruhe hatte sich ausgebreitet. Die Stille klebte an ihr, als wollte sie ihren Körper zerdrücken.
Wo waren die Bestien?
Die Frage hämmerte immer wieder durch ihren Kopf. So sehr sie sich auch umschaute, sie bekam keines dieser Tiere zu Gesicht. Verschwunden, aufgelöst. Nur Federn und Reste lagen noch vor ihr.
Oder…?
Sie waren noch da. Mara hörte etwas. Sie konnte die Geräusche noch nicht richtig einordnen, da sie Schwierigkeiten mit dem Gehör hatte. Der Schuß war einfach zu laut gewesen.
Die Anspannung verschwand nicht. Sie ging nur etwas zurück. Allmählich drängte sich die Wahrheit durch. Sie dachte an bestimmte Dinge, erinnerte sich wieder. Hier war es nicht nur um ihr Leben gegangen, sondern auch um das ihrer Tochter.
»Jana…« Es war kein Schrei, kein Ruf, es glich mehr einem klagenden Laut. Aber er spornte sie an.
Sie wollte weg aus dieser Haltung. Sie mußte nach dem Baby sehen und machte sich plötzlich Vorwürfe, daß sie sich nicht eher um Jana gekümmert hatte.
Jetzt war es zu spät.
Mara war eine Kopflänge weit unter dem Tisch hervorgekrochen, als sie die Bewegung vernahm.
Rechts von ihr huschten Schatten über den Boden. Der Vorhang bewegte sich. Hinter ihm war etwas passiert, und sie dachte sofort an Jana.
»Nein…« Ihre Augen wurden groß. Sie zitterte plötzlich. Schweiß bedeckte ihren gesamten Körper.
Es war wie ein Brennen in ihr. Der Magen hatte sich zusammengezogen. Die Angst wurde einfach übermächtig.
Zwar dämpfte der Vorhang bestimmte Geräusche, doch das Flattern der Flügel hörte sie schon. Und plötzlich war die Lücke entstanden. Da teilte sich der Stoff. Sie sah einen Eulenkörper, dann ein Gesicht, die großen Augen, den blanken Schnabel. Doch das alles huschte nur durch ihr Blickfeld.
Der große Schrecken kam eine Sekunde später.
Da sah sie die Krallen.
Sie waren nicht leer, denn die griffen hinein in den Körper ihrer kleinen Jana…
***
Mara wußte im ersten Moment nicht, was sie unternehmen sollte. Sie sah dieses schreckliche Bild, aber sie wollte es einfach nicht wahrhaben. Ihr Kind in den Klauen dieser verfluchten Kreatur, die nicht mehr weiterflog, sondern in der Luft stand, als hinge sie an einem Faden.
Jana schlief nicht mehr.
Ihr kleiner Körper zuckte. Das Kind lag mit dem Kopf nach unten, die Krallen hielten den Stoff des Strampelanzugs fest. Kleine Arme bewegten sich. Die winzigen Finger zuckten ebenso wie das Gesicht.
Gleich wird sie anfangen zu weinen, dachte Mara, denn sie kannte die Reaktionen ihrer Tochter gut.
Sie wird schreien, quengeln, und sie wird eine schreckliche Angst haben. Es geht nicht anders. Auch wenn sie nicht denken kann, sie wird alles mitbekommen, alles spüren, sie ist ein kleiner Mensch.
Die junge Mutter wunderte sich über sich selbst, daß sie zu derartigen Gedanken fähig war. Sie hätte aufstehen und versuchen sollen, der Eule das Kind zu entreißen. Statt dessen kniete sie auf dem Boden und tat gar nichts.
Es war der Schock, der sie lähmte. Sie spürte auch die Schmerzen an sich selbst nicht mehr. Diese Situation war einfach zu fremd und damit auch unfaßbar.
Doch der Schock verging.
Mara Laurescu merkte, daß sie wieder »lebte«. Ein heißer Strom schoß durch ihren Körper. Sie hatte den Eindruck, daß er an ihren Füßen begann und sehr schnell ihren Kopf erreichte. Der Kreislauf funktionierte wieder, und damit auch ihr Denken.
Man wollte ihr Kind rauben!
Sie drehte durch. Plötzlich spürte sie wieder die Kraft in sich. Sie jagte aus der gebückten Haltung hoch, geriet dabei in einen leichten Schwindel, aber das Kind war wichtiger. Die nutzlose Schrotflinte hatte sie fallen
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