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105 - Das indische Tuch

105 - Das indische Tuch

Titel: 105 - Das indische Tuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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die Schultern.
    »Wir nennen es Abstellraum, obwohl ich dort ein paar wertvolle Gegenstände aufbewahre.«
    »Haben Sie den Schlüssel dazu?«
    »Ich öffne das Zimmer nie.«
    Ihre Stimme klang metallisch hart.
    Plötzlich wurden sie unterbrochen. Die Treppe, die in die Halle führte, war nicht bewacht; Lord Lebanon kam herunter und hörte die letzten Worte. Seine Mutter sah ihn noch nicht.
    »Mr. Tanner, ich will Ihnen die Wahrheit sagen. Es ist das Zimmer, in dem mein Mann gestorben ist. Seit jenem Tag ist es nicht mehr geöffnet worden.«
    »Ach, handelt es sich um das Zimmer mit der dicken Tür?« mischte sich der junge Lord ins Gespräch. »Mr. Tanner, die Tür habe ich häufig offen gesehen.«
    Sie warf ihm einen drohenden Blick zu.
    »Da irrst du dich aber, Willie. Das Zimmer ist nicht mehr geöffnet worden, und vor allem hast du es nicht gesehen.«
    »Dann wäre es doch gut, wenn die Tür geöffnet wird«, sagte der Inspektor.
    »Es tut mir leid, aber das ist unmöglich.«
    »Und mir tut es ebenso leid, aber ich muß darauf bestehen.«
    »Seien Sie doch vernünftig, Mr. Tanner«, sagte sie jetzt freundlich, aber ihre Unruhe war unverkennbar. »Was könnte Sie auch in dem Zimmer besonders interessieren? Es hängen nur ein paar alte Gemälde darin. Ich dachte, Sie wollten den Mord aufklären, und der ist doch außerhalb des Hauses passiert.«
    »Ich führe meine Untersuchungen, wie ich es will, Lady Lebanon«, entgegnete Tanner streng.
    »Aber Mutter–«
    »Würden Sie uns nicht etwas allein lassen, Lord Lebanon?« sagte Tanner. »Im Korridor finden Sie Sergeant Ferraby.«
    Er wartete, bis der junge Lord verschwunden war.
    »Lady Lebanon, Sie wissen genau, daß ich sofort einen Durchsuchungsbefehl bekommen kann.«
    Sie warf den Kopf in den Nacken.
    »Es wäre eine Gemeinheit, wenn Sie das täten«, erwiderte sie hochmütig. »Kein Friedensrichter oder Beamter in unserer Gegend würde Ihnen ein solches Schriftstück ausstellen.« Plötzlich änderte sie das Thema. »Aber ich habe gedacht, Sie wollten mich noch etwas fragen?«
    Im Augenblick konnte Tanner nichts dadurch erreichen, daß er noch länger über den geschlossenen Raum sprach. Es fiel ihm leicht, einen Durchsuchungsbefehl zu beschaffen, und er hatte die Ausstellung bereits in Scotland Yard beantragt.
    »Ich möchte mit Ihnen über die Ermordung Dr. Amershams sprechen«, begann Tanner. »Deshalb bin ich hergekommen, aus keinem anderen Grunde. Ich will den geheimnisvollen Mord aufklären, der an Dr. Leicester Amersham begangen wurde.«
    »Ich dachte doch, ich hätte Ihnen gesagt –«
    »Sie haben mir gesagt, daß Sie nichts darüber wissen, aber ich bin anderer Ansicht. Lady Lebanon, wann haben Sie Dr. Amersham zum letztenmal gesehen?«
    Sie schaute ihn nicht an; der schwere Augenblick war gekommen.
    »Ich habe ihn heute morgen nicht gesehen –«
    »Das weiß ich«, sagte Tanner geduldig. »Heute morgen lebte er nicht mehr. Nach den ärztlichen Gutachten ist er gestern abend zwischen elf Uhr und Mitternacht gestorben. Wann haben Sie ihn zuletzt lebend gesehen?«
    »Gestern morgen – es kann aber auch schon einen Tag früher gewesen sein. Ich bin meiner Sache nicht sicher.«
    Kaum hatte sie die Worte geäußert, so wußte sie auch schon, daß sie einen großen Fehler begangen hatte.
    »Gestern abend um elf Uhr war er aber hier, wahrscheinlich bis kurz vor seinem Tode. Und er hat sich in diesem Zimmer mit Ihnen unterhalten.«
    »Sie haben mit den Dienstboten darüber gesprochen?«
    Tanner ließ sich durch diesen Vorwurf nicht stören.
    »Das ist doch selbstverständlich.«
    »Sie hätten aber besser erst mit mir gesprochen. Wenigstens hätte ich das von Ihnen erwartet«, erwiderte sie erregt.
    »Nun, ich bin ja jetzt zu Ihnen gekommen.« Tanner sah sie verbindlich lächelnd an, aber das machte keinen Eindruck auf sie. Im Gegenteil, sie sammelte all ihre Kräfte, um sich gegen diesen Mann zu verteidigen. »Und Sie erzählen mir, daß Sie Dr. Amersham gestern morgen zum letztenmal gesehen haben. Dieser Mord hat doch das ganze Schloß in Aufregung versetzt.«
    Sie zog die Augenbrauen hoch.
    »Ich verstehe nicht recht, wie Sie das meinen.«
    »Er war Ihr Freund, Sie sprachen noch mit ihm, und gleich darauf wurde er ermordet … Meiner Meinung nach hätten Sie ganz anders auf meine Frage antworten müssen. Sie hätten sagen müssen: ›Ich hatte mich gerade vorher noch mit ihm unterhalten‹, oder so etwas Ähnliches.«
    »Dr. Amersham war nicht mein

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