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105 - Das indische Tuch

105 - Das indische Tuch

Titel: 105 - Das indische Tuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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entgegnete Isla ungeduldig. »Aber warum liegt das Seidentuch in dem Schreibtisch?«
    Lady Lebanon verzog den Mund.
    »Liebes Kind, du träumst. In welcher Schublade soll es denn sein?«
    Als Isla auf ein Fach zeigte, holte Lady Lebanon den Schlüssel heraus und schloß auf.
    »Hier ist nichts, Isla. Du mußt dich nicht derartig unterkriegen lassen. Es steht wirklich schlimm mit deinen Nerven.«
    »Wie können Sie nur so leichtfertig sprechen! Ein Mann ist ermordet worden«, sagte Isla mit zitternder Stimme. »Ich haßte ihn, er war immer so gemein zu mir –«
    Lady Lebanon erhob sich.
    »Was soll das heißen? Hat er versucht, sich dir zu nähern?«
    Isla machte eine verzweifelte Handbewegung, ging zur Couch zurück und setzte sich wieder.
    »Ich kann nicht länger im Schloß bleiben …«
    Lady Lebanon lächelte.
    »Du bist nun schon so lange hier.«
    Sie suchte nach einem Brief auf dem Schreibtisch.
    »Ich habe deiner Mutter am Montag die vierteljährliche Rente geschickt, und sie hat mir heute morgen mit einem entzückenden Brief geantwortet. Die beiden Mädchen sind so glücklich in der Schule. Sie schreibt, es sei wunderbar, keine Sorgen mehr zu haben.«
    Dieser Wink war deutlich genug. Isla hatte Lady Lebanon früher bemitleidet, aber jetzt haßte sie diese Frau. Es war gemein, sie daran zu erinnern. Außerdem lag eine Drohung in den Worten. Die Unterstützung für ihre Mutter und ihre Schwestern würde sofort aufhören, wenn Isla nicht mehr tat, was Lady Lebanon von ihr verlangte.
    »Sie wissen genau, daß ich keinen Tag länger bliebe, wenn es nicht wegen meiner Mutter und meiner Schwestern wäre«, sagte Isla atemlos. »Sie ahnt ja nicht, wie schwer es mir fällt – sonst würde sie lieber hungern.«
    Lady Lebanon lauschte, denn sie hörte Tanners Stimme.
    »Um Himmels willen, keine Tränen! Ich will doch nur dein Bestes.« Lady Lebanon sprach jedes Wort langsam und mit besonderer Betonung. »Wenn du erst einmal Lady Lebanon bist, wirst du sehen, daß ich sehr großzügig sein kann, was dein Eheleben anbetrifft. Verstehst du, was ich damit sagen will?«
    Isla sah sie verwundert an. Nicht zum erstenmal hörte sie solche Andeutungen. Was meinte die Frau nur damit?
    »Ich sah dich draußen mit dem jungen Polizeibeamten. Hoffentlich warst du bei ihm etwas gefaßter als hier.«
    »Er ist sehr zuvorkommend und liebenswürdig«, entgegnete Isla müde. »Wirklich viel besser, als ich –«
    »Viel besser, als du es verdienst. Isla, sei doch vernünftig. Ich bin sicher, daß er sich sehr gut benehmen kann. Sein Auftreten ist einwandfrei, er muß eine gute Schule besucht haben.«
    Isla nannte die Schule, und Lady Lebanon war überrascht.
    »Wirklich, dort ist er gewesen? Es ist zwar nicht gerade Eton, aber doch auch sehr gut. Wie ist es nur möglich, daß er bei der Polizei dient? – Wie heißt er eigentlich?«
    Isla war nicht in der Stimmung, mit Lady Lebanon über den jungen Detektiv zu sprechen, aber er beschäftigte sie doch mehr, als sie zugeben wollte.
    »John Ferraby«, erwiderte sie.
    Lady Lebanons Interesse wurde noch größer.
    »Ferraby – ist er einer der Ferrabys in Somerset? Dann gehört er ja zur Familie von Lord Lesserfield, der die Leoparden im Wappen führt.«
    »Ja, ich glaube. In Somerset ist er zu Hause.«
    Lady Lebanon betrachtete Isla mit einem merkwürdigen Lächeln.
    »Es liegt kein Grund vor, warum du nicht mit ihm bekannt sein solltest, nur darfst du nicht mit ihm über Amersham sprechen. Hat er dir übrigens schon eine Liebeserklärung gemacht?«
    Isla wandte sich ungeduldig um.
    »Amersham ist doch tot!«
    »Wenn dich der junge Ferraby fragen sollte –«
    »Er hat mich überhaupt nicht mit Fragen belästigt. Wir sprachen nur über gemeinsame Bekannte. Mr. Tanner wird mich eher ausfragen. Was soll ich dem sagen?«
    »Nur das, was unbedingt nötig ist.«
    In diesem Augenblick kam Ferraby herein.
    »Ach, verzeihen Sie, Mr. Tanner wollte Sie sprechen. Ich werde ihm sagen, daß Sie hier sind.«
    »Bleiben Sie hier, Mr. Ferraby«, entgegnete Lady Lebanon. »Ich werde Mr. Tanner rufen.«
    Sie schob die Briefe zusammen und schloß sie in eine Schublade.
    »Meine Nichte erzählte mir eben, daß Sie mit den Lesserfields verwandt sind.«
    Ferraby wurde etwas verlegen.
    »Ja – in gewisser Weise, aber doch nur sehr entfernt. Darum kümmert man sich heute nicht mehr.«
    »Sie sollten sich aber doch darum kümmern«, erklärte Lady Lebanon energisch. »Es ist etwas Großes, Mitglied einer

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