105 - Der Leichenfledderer
oder du wirst schrecklich leiden!
Unga spie dem Tobenden ins Gesicht.
„Mehr kriegst du aus mir nicht raus, verdammter Narr!"
Cotton Mather war starr vor Entsetzen, Wäre er nicht von Luguri besessen gewesen, so hätte er Unga jetzt getötet. Der Schwarzblütige beherrschte sich jedoch. Einen Freund des Dreimalgrößten erwischte man nicht jeden Tag. Man durfte die Chance nicht durch Unüberlegtheiten verschenken. „Schneid ihm die Gurgel durch!" keifte Cindy unbeherrscht.
„Halt's Maul, elende Hexe!" stieß Cotton Mather hervor. „Hier bestimme ich. Und wenn du das immer noch nicht kapiert hast, wird's Zeit. Ich könnte die Beschwörungen jederzeit auch an dir vornehmen."
Cindy verzerrte das Gesicht zu einer abscheulichen Fratze. „Habe ich dir nicht immer gedient? War ich nicht deine treueste Begleiterin, Cotton? Ich bin dir wohl nicht mehr gut genug, was?"
Bevor sich Cotton näher mit der Hexe beschäftigen konnte, gellte ein Schrei durch den Stollen. „Gold! Cotton - wir haben die Nuggets gefunden! Es ist alles voll davon. Gold! Wir sind reich!" Luguri zog sich aus Cottons Bewußtsein zurück. Der Schwarzblütige wollte vermeiden, daß die anderen Verdacht schöpften. Er würde die Entwicklung abwarten. Unga konnte ihm nicht entkommen.
„Ich komme, Jungs! Laßt mir noch was übrig!" antwortete Cotton Mather und warf einen Blick auf den Gefangenen, der vor der leeren Wandhöhlung kauerte: „Laß dir die Zeit nicht zu lang werden, Kerl! Wenn ich zurückkomme, erwarte ich eine hübsche Geschichte von dir. Aber keine Lügenmärchen, sondern die Wahrheit. Wenn du nicht. auspackst, überleg dir schon mal, welche Methode dir lieber ist - Feuer oder Ausweiden. Du hast die Wahl."
Cotton verließ feixend den Gruftraum. Der, den sie Vampir nannten, kam ihm fassungslos entgegengerannt. Er hielt ein paar glänzende Nuggets in der Hand.
„Sieh mal, Cotton! Wenn das nicht das Gold des Satans ist, will ich in der Wüste verdorren. Das ist pures Gold! Jeder Brocken so groß wie ein Taubenei."
„Gib her!" Cotton ließ die Nuggets durch die hohle Hand gleiten. Sie waren noch warm von der Sonne. „Tatsächlich Gold. Ich will noch mehr davon haben."
„Draußen auf der Straße - auf dem Friedhof - überall liegen die Nuggets herum, Cotton."
Jetzt war Cotton Mather nicht mehr zu halten. Seine Gier war größer als seine Vernunft. Er fragte sich nicht mal, wie die Nuggets in die Geisterstadt gekommen waren. Bis vor wenigen Augenblicken hatte ihn das Verschwinden des Schamanen beunruhigt. Er hatte befürchtet, Maria wäre befreit worden, und die Rancher würden ihm hier irgendwo auflauern. Jetzt hatte der Goldrausch die Satanskommune erfaßt.
„Ist Casey auf dem Posten?" fragte Cotton den Vampir.
„Keinen blassen Schimmer. Die Jungs waren ja nicht mehr zu halten, als einer das erste Nugget fand. Ich kann's ihnen auch nicht verdenken."
Cotton ließ die Nuggets in der Hosentasche verschwinden.
„Ich bestimme, was mit dem Gold geschieht. Ihr müßt mir alles abliefern. Kapiert? Jedes Nugget. Wer eins behält, wird hart bestraft."
„Aber, Cotton - das kannst du doch nicht machen!"
Cotton trat an den hohlwangigen Burschen heran und preßte ihm die Kehle zu. Er drückte so lange, bis dem Vampir die Augen aus den Höhlen traten.
„Kann ich das wirklich nicht?"
„D - doch, Cotton", würgte der Junge hervor. „Mein Nugget kannst du schon mal haben."
Cotton trat ins Freie. Die Sonne stand im Westen. In ein oder zwei Stunden würde es dunkel sein. Er wußte, daß sie in der Dunkelheit nicht mit Fackeln draußen rumrennen durften. Die Gefahr, vom Sheriff oder einem anderen aus der Gegend entdeckt zu werden, war doch zu groß.
„Sucht weiter!" schrie Cotton, daß es alle hören konnten. „Sucht weiter und schafft die Nuggets in die Kirche!"
Auf dem Friedhof schlugen sich zwei um ein Nugget. Sie wälzten sich kämpfend auf dem Boden. Als Cindy hinter ihnen auftauchte, rutschte dem einen das Goldstück aus der Hand. Cindy bückte sich sofort danach.
„Verschwinde, elende Hexe! Ich habe das Nugget gefunden. Es gehört mir!"
Cindy lachte schrill. „Jetzt gehört's aber mir! Ich habe schon drei. Jetzt sind es vier. Hahaha! Eins gebe ich Cotton ab."
Cotton Mather stand auf der Straße. Er war allein. Die anderen suchten in den Häusern weiter. Der Wind strich durch die Löcher seines Staubmantels. Ein merkwürdiges Gefühl beherrschte ihn. Er wußte, daß der Schamane lebte. Wo würde er mit ihm
Weitere Kostenlose Bücher