1051 - Als Verfluchte grüßen...
macht mich nicht irre. Ich habe nichts damit zu tun gehabt. Hurt arbeitete undercover. Er war für sich selbst verantwortlich. Ich glaube kaum, daß sein Job euch tangiert.«
»War da nicht etwas mit verschwundenen Kindern?« hakte ich nach.
Tanner zeigte uns ein säuerlich verzogenes Gesicht. »Gerüchte. Alles Gerüchte.«
»Deswegen schneidet man ihm die Kehle durch?«
»Mal langsam. Da ist nichts bewiesen. Es können auch andere Personen gewesen sein. Die Kollegen haben eine Sonderkommission gebildet. Man arbeitet daran. Es ist verdammt schwer, weil Hurt so gut wie keine Aufzeichnungen hinterlassen hat.« Er bekam den berühmten Bullenblick. »Mal anders gefragt, weshalb interessiert euch das so plötzlich? Habt ihr eine Eingebung bekommen oder wie?«
Ich schüttelte den Kopf. »Keine Eingebung, Tanner. Dafür brandheiße Informationen aus erster Hand.«
Der Chief Inspektor nahm eine schon angerauchte Zigarre aus dem Ascher und nickte uns zu. »Da bin ich mal gespannt, was ich da zu hören bekomme.«
»Kannst du auch, Tanner.«
Suko und ich berichteten abwechselnd, was wir von Ida Cobin erfahren hatten. Wir sahen Tanner nicht an, ob er uns glaubte, er hielt sich erst mal bedeckt. Nur seine kalte Zigarre wanderte dabei von einem Mundwinkel in den anderen. Er dachte nicht daran, sie anzustecken, da er sich ja das Rauchen abgewöhnen wollte.
Auch später, als wir mit unserem Bericht fertig waren, sagte er noch nichts. Er legte nur die Zigarre wieder zurück in den Ascher, da sie ihn beim Reden störte. Danach stellte er uns eine für ihn seltsame Frage. »Was sagte denn euer Gefühl?«
»Unser Gefühl sagt uns, daß die Sache heiß ist!« erklärte ich.
»Du bist auch der Meinung, Suko?«
»Sicher.«
»Was könnte ich denn für euch tun?«
Ich streckte ihm die Hand entgegen. »Wir müssen einfach wissen, ob dieser Sammy Cobin das einzige verschwundene Kind ist, oder ob es mehrere gibt. Hurt hat doch nach verschwundenen Kindern gesucht, wie du selbst gesagt hast. Wir wollen das nicht mehr als Gerücht ansehen und glauben jetzt, daß mehr dahintersteckt.«
»Ein Kinderpornoring?«
»Kann sein.«
»Es wäre für mich die einzige akzeptable Möglichkeit«, sagte ich.
»In der letzten Zeit haben sich die Fälle ja gehäuft. Nicht nur auf dem Kontinent, auch hier in England. Da kann man annehmen, daß dahinter schon Methode steckt.«
»Und William Hurt ist diesen Schweinen möglicherweise auf die Spur gekommen. So dicht war er ihnen auf den Fersen, daß sie ihn umgebracht haben.«
»Das nehmen wir an«, sagte Suko.
Tanner rieb sein Gesicht. »Wenn das so ist, müßten wir bei Hurt ansetzen. Es ist auch traurig, daß die Mutter des kleinen Sammy nicht so viel gesehen hat, um die beiden identifizieren zu können. Die Beschreibungen sind mehr als vage.«
»Gibt es denn eine Kartei, in der sie nachschauen könnte?« erkundigte sich Suko. »Habt ihr so etwas Spezielles angelegt?«
»Nicht wir«, sagte Tanner. »Oder nicht in meiner Abteilung. Das wäre eine Sache für die Metropolitan Police oder für Scotland Yard. Versucht es zuerst bei euch. Wir können ja zweigleisig fahren. Ihr kümmert euch um die Frau, während ich mal nachhöre, ob die Kollegen mehr über Hurts letzte Einsätze wissen. Wenn wir eine Zange bilden, treffen wir uns möglicherweise.«
»Ja, das wäre nicht schlecht«, gab ich zu. »Kannst du denn auf die Schnelle herausfinden, wie Hurts letzte Aktivitäten ausgesehen haben? Wo er verkehrt hat. Stammkneipe, Anlaufstelle und so. Er wird sich ja eine Legende aufgebaut haben.«
»Mache ich alles. Nur glaube ich nicht, daß es großen Erfolg bringen wird. Denn das haben die Kollegen, die sich um den Mordfall kümmern, auch schon getan. Ich sehe eher eine Chance in der Statistik. Sollte sich herausstellen, daß es eine Häufung von verschwundenen Kindern gibt, können wir da einhaken.«
Der Meinung waren wir auch. Allerdings trug Suko seine Bedenken vor. »Ich will ja nicht schwarzmalen«, sagte er, »aber ich könnte mir vorstellen, daß wir keine Statistik bekommen. Wenn Kinder geraubt werden, sind es doch solche, die aus den ärmsten Verhältnissen stammen und nicht vermißt werden, abgesehen von ihren Eltern. Und die werden kaum zur Polizei laufen. Das habt ihr ja selbst bei dieser Ida Cobin erlebt. Da kann man die Statistik schon täuschen, denke ich.«
»Stimmt«, meinte Tanner.
»Ist aber trotzdem ein Versuch wert«, beharrte ich.
»Gut.« Tanner schlug auf den Schreibtisch.
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