1055 - Vampire, Karina und wir
erringen.«
»Eine Stunde, John.«
»Frag jetzt nicht, ob sie reicht. Sie muß einfach reichen.«
»Karina wird es freuen.«
Da stimmte ich ihm zu. Nur warteten wir auf ihren Anruf. Ich schaute auf die Uhr.
Es waren noch zwei Stunden Zeit bis zum Beginn des totalen Stromausfalls. Nicht viel. Wir mußten uns sogar beeilen, denn wir wollten schon zuvor in der Nähe des Hauses sein.
Mein Handy meldete sich, als wir Glendas Büro durchqueren wollten. Es war Karina, die anrief.
»Ich stehe hier in einer Zelle. Kann also nicht abgehört werden und bin dabei, zur Villa zurückzufahren. Egal, was auch geschieht. Wie hat es bei euch geklappt?«
»Wir haben für eine Stunde Stromausfall.«
»Wau!« sagte sie. »Das ist ein Hammer! Wann denn?«
Ich gab ihr die Uhrzeiten durch.
»Ausgezeichnet, das kommt mir entgegen. Ich kann sicher schon für euch etwas tun. Ein Fenster an der Rückseite öffnen, zum Beispiel. Versprechen kann ich es nicht, weil ich nicht weiß, wie man mich empfängt.«
»Laß dich nur auf nichts ein«, warnte ich sie. »Sei noch vorsichtiger als sonst.«
»Darauf kannst du dich verlassen. Ich habe zudem eingekauft und hoffe, daß diese Linda es nicht geschafft hat, mit Costellos Leuten Kontakt aufzunehmen.«
»Da brauchst du wohl keine Sorge zu haben. Das kann man geschickt lenken.«
»Gut, dann fahre ich jetzt.«
»Aber gib acht. Du bist nicht unverletzlich.«
»Ihr auch nicht.«
»Wir mindern das Risiko durch schußsichere Westen.«
»Sehr gut. Hätte ich auch gern. Aber ihr braucht mir keine mitzubringen.«
Sie legte auf. Ihre letzten Worte hatten verdammt kratzig geklungen. Auch sie war nur ein Mensch, der mit seinen Gefühlen zurechtkommen mußte.
Ich steckte den flachen Apparat weg und nickte Suko zu. »Okay, holen wir uns die Westen…«
***
Marco Versini war zu schwach gewesen, um sich auf den Beinen halten zu können. Der letzte Stoß hatte ihn tief in das Rechteck hinter dem Gitter hineinkatapultiert, und er war bei seinen Gehbewegungen über die eigenen Beine gestolpert. Danach war er nach vorn gefallen und über den rauhen Betonboden gerutscht. Die Fläche hatte an seiner rechten Hand leichte Hautabschürfungen hinterlassen.
Die Vampire hatten ihre Beute bekommen, und zwei Menschen schauten auf der sicheren Seite zu.
Franco stand dicht neben dem Rollstuhl. Was er in den folgenden Minuten erleben würde, war auch für ihn neu, und diese Erwartung stand ihm ins Gesicht geschrieben.
Seine Augen schimmerten. Er hielt den Mund halb geöffnet und atmete nur vorsichtig ein.
Costello sprach ebenfalls nicht. Sein Gesicht bewegte sich nicht.
Er wirkte wie ein Mensch aus Stein.
Die drei Blutsauger hatten zwar mitbekommen, was geschehen war, aber sie stürzten sich noch nicht sofort auf ihr Opfer. Sie schienen selbst überrascht zu sein, daß ihnen diese »Nahrung« präsentiert worden war.
So blieb Versini zunächst einmal auf dem Boden liegen. Er sah aus wie jemand, der sich ausruhen wollte. Erst nach einigen Sekunden fand er die Kraft, sich hochzudrücken. Der Körper hob vom Untergrund ab. Marco zog die Beine an, dann kniete er sich hin.
Er war noch in seiner eigenen Welt versunken. Er mußte mit den Schmerzen zurechtkommen, so daß ihm die andere Welt noch zu fremd war. Er mußte sich an sie gewöhnen.
Die Schmerzen waren plötzlich vergessen, als es ihm gelang, den Kopf zu drehen. Plötzlich fiel ihm auf, wo er sich befand und wer bei ihm war.
Die drei Gestalten standen vor ihm. Sie hielten sich noch an der Wand auf. Ihre Bewegungen deuteten schon an, was sie vorhatten, denn es sah so aus, als wollten sie sich gemeinsam auf Versini stürzen.
Der mußte sich erst zurechtfinden. Er kniete noch immer. Sein Atem floß heftig und keuchend aus dem Mund. Er bewegte auch seinen Kopf nach rechts oder links, um irgendwo etwas entdecken zu können, was ihm möglicherweise die Rettung brachte.
Da gab es nichts.
Er sah nur die drei Vampire vor sich. Gestalten, die besser in ein Grab hineingepaßt hätten. Die ebenso grau waren wie das düstere Licht. Deren Gesichter kaum als solche bezeichnet werden konnten.
Sie waren nichts anderes als blasse Fratzen. Mehr oder weniger aufgedunsen, einfach widerlich.
Er sah ihre Mäuler.
Er sah ihre Zähne.
Spitz und leicht gekrümmt. Auch in diesem schwachen Licht erkannte er plötzlich, wer da vor ihm stand. Und er wußte gleich, daß sich diese Wesen nicht verkleidet hatten. Sie waren echt. So verdammt echt. Er wollte und konnte nicht
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