1055 - Vampire, Karina und wir
denn?«
»Karina.«
Logan Costello lachte. »Sag mir bitte, wieso diese Frau ein Problem ist.«
»Sie hat uns verraten.«
»Bist du dir sicher?«
»Ja.«
»Hat sie es dir gesagt?«
»Nein.«
»Eben.«
Franco konnte nicht begreifen, daß sein Boß diese Frau so in Schutz nahm. Er mußte einen Narren an ihr gefressen haben. Im Fahrstuhl sagte Costello: »Um dich ruhiger zu machen, gebe ich dir den Rat, dich mit ihr zu beschäftigen. Frag sie.«
»Scusi, aber sie wird mir kaum eine richtige und auch ehrliche Antwort geben.«
Costello strich wieder über seine Oberschenkel. »Das mag sein«, gab er zu. »Aber kennst du nicht bestimmte Methoden, um auch einen Stummen zum Reden bringen zu können? Auch wenn dieses Beispiel leicht übertrieben ist.«
Franco unterdrückte das Lachen nicht. Genau diese Antwort hatte er hören wollen. »Ich bekomme freie Hand?«
»Ja, in einem gewissen Rahmen.«
»Kein Mord?«
»Nein, Franco!« erklärte Costello mit harter Stimme. »Wenn es denn sein muß, werde ich es persönlich übernehmen.«
»Ich werde daran denken.«
Sie waren mittlerweile nach oben gefahren, in die andere Welt.
Heraus aus dem Gestank und weg von der Nähe der gefährlichen Blutsauger. Franco schob seinen Boß in das Arbeitszimmer bis zu seinem Lieblingsplatz, dem Schreibtisch.
»Dann schaue ich mal nach, ob Karina schon zurück ist.«
»Ja, tu das, mein Freund.«
Franco ging weg. Zurück blieb Costello. Er schaute durch die breite Scheibe in den Park.
Die Märzsonne ging unter. Im Westen zeigte der Himmel einen leichten Rotton. Bald würde die Dämmerung hereinbrechen. Ihr folgte die Dunkelheit, dann kam die Nacht.
Er lächelte, als er daran dachte.
***
Der Wächter am Eingang des Grundstücks grinste Karina an und zog sie mit seinem Blicken fast aus, als sie kurz stoppte, um hereingelassen zu werden.
»War es gut?«
»Es hätte nicht besser sein können«, erwiderte sie.
»Schönen Abend noch.«
»Danke, gleichfalls.«
Sie fuhr in den Park hinein. Es war alles so gelaufen, wie sie es sich vorgestellt hatte. Dennoch konnte sie den harten Druck im Magen nicht vertreiben. Auch das bedrückende Gefühl war geblieben. Durch ihren Job wußte sie, daß viele Pläne, mochten sie auch noch so gut sein, scheiterten, weil immer wieder Dinge passierten, die nicht vorauszusehen waren.
Das konnte auch hier so sein, denn der Plan war auf keinem festen Fundament gebaut worden. Er stützte sich eher auf Sand, und der ließ vieles leicht wegrutschen.
Noch war sie allein, und sie würde die Zeit bis zum Eintreffen ihrer Freunde überstehen müssen. Es war nicht einfach, doch sie hoffte, genügend schauspielerisches Talent mitzubringen, um auch das überstehen zu können.
Karina schätzte nicht einmal Logan Costello als supergefährlich ein, der hatte irgendwie einen Narren an ihr gefressen. Sein Vertrauter Franco war schlimmer. Er gehörte zu den Menschen, die das Mißtrauen mit der Muttermilch eingesaugt hatten. Das hatte er der Leibwächterin gegenüber auch offen gezeigt. Die folgenden Stunden würden für sie nicht nur spannend, sondern auch gefährlich werden, davon mußte sie einfach ausgehen. Sie hatte sich keinen Plan zurechtgelegt, wie sie vorgehen wollte. Erst einmal das Haus betreten, in ihre Wohnung gehen, alles andere würde sich ergeben.
Sie fuhr durch den vorabendlich stillen Park. Vögel flogen von Baum zu Baum. Sie spürten, daß der Frühling nicht mehr fern war.
Ihr Gesang drang selbst durch die geschlossenen Scheiben des Autos.
Karina fuhr den Wagen bis dicht vor die breite Eingangstreppe, die an der linken Seite eine Rampe für den Rollstuhl besaß. Dort hielt sie an, nahm die beiden Einkaufstüten vom Rücksitz und stieg aus. Den Wagen brauchte sie nicht wegzufahren, das erledigten andere für sie.
Sie ging die Stufen hoch.
Auch hier wurde sie überwacht. Möglicherweise saß auch Costello vor einem der Monitore und schaute zu. Deshalb gab sie sich normal und locker wie möglich und lächelte sogar kurz in das Glotzauge hinein. Sie schellte, die Tür schwang auf. In der Halle sah sie einen Mann, der einen grauen Anzug trug und sich in einem Sessel lümmelte. Er war so etwas wie der Türwächter.
»Hat der Capo nach mir gefragt?«
»Nein.«
»Aber er ist da?«
»Ja.«
»Ich bin dann in meiner Wohnung.« Sie sagte nicht, daß er sich melden sollte. Sollte Costello das vorhaben, würde er es sowieso tun. Karina Grischin nahm nicht den Lift. Sie ging leicht und locker die
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