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106 - Schatten des Krieges

106 - Schatten des Krieges

Titel: 106 - Schatten des Krieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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gab nichts für ihn zu tun.
    Das Quartier des Generals bestand aus einem Bad, einer kleinen Küche, in der niemals gekocht wurde, einem Schlafzimmer, das Ramon nicht betreten durfte, und einem Aufenthaltsraum, in dem ein Schreibtisch, ein paar Stühle und ein Sessel standen. Im raumhohen Regal an der Wand stapelten sich antike Bücher, aber trotz Crows Aufforderung, sich etwas auszuleihen, hatte Ramon nichts gefunden, was ihn auch nur ein wenig interessierte. Geschichtsbücher wechselten sich ab mit Philosophie und Staatstheorie, militärhistorische Werke mit Biographien von Menschen, die ihm unbekannt waren.
    Natürlich hatte er nicht gewagt, das zuzugeben. Nach den ersten Tagen hatte Crow die Aufforderung zu Ramons Erleichterung auch nicht wiederholt.
    Hinter ihm sprachen die beiden Generäle über Truppenstärken, Waffentechnik und Taktiken. Yoshiros Misstrauen war deutlich zu hören. Er nannte keine Zahlen, verriet nur wenig über seine nächsten Pläne und wich direkten Fragen aus. Crow hingegen schien eine solche Zurückhaltung nicht zu kennen. Er beantwortete jede Frage so freundlich und ausführlich, als sei er Kandidat in einer Quizshow.
    »Selbstverständlich teilen wir unser Kartenmaterial des Westatlantiks mit Ihnen«, sagte er in diesem Moment. »Setzen Sie diesen Punkt einfach mit auf die Liste.«
    Das Klingeln des Telefons übertönte Yoshiros Antwort.
    Ramon nahm den Hörer von der Gabel und drehte sich zur Wand, um das Gespräch nicht mehr als nötig zu stören.
    »General Crows Quartier«, sagte er leise.
    »Ich bin's.« Juanita klang gestresst. Er sah sich um und trat noch näher an die Wand heran.
    »Spinnst du?«, flüsterte er. »Du kannst mich doch nicht einfach hier anrufen. Privatgespräche -«
    »Das ist kein Privatgespräch. Ich möchte, dass du Crow erzählst, was mir eben passiert ist.«
    Ramon holte Luft, aber Juanita ließ nicht zu, dass er sie unterbrach. Kurz schilderte sie ihr Treffen mit McGovern, die Entdeckung der eingeritzten Buchstaben und ihre Vermutung, dass McGovern von jemandem gezwungen wurde, einen heimlich eingedrungenen Cyborg im Bunker zu schützen.
    »Der General muss das erfahren«, sagte sie, während sich Crow und Yoshiro hinter Ramon verabschiedeten. »Wenn ich Recht habe, ist der ganze Bunker in Gefahr.«
    »Und wenn du Unrecht hast?« Die Idee klang fast schon surreal, so abwegig war sie. Er glaubte Juanitas Schulterzucken zu hören, als sie antwortete.
    »Dann kannst du den Fehler auf mich schieben. Dein Chef wird mich schon nicht umbringen.«
    Dich nicht… , dachte Ramon. Aus den Augenwinkeln sah er, wie Crow das Funkgerät zur Seite legte. »Ich muss Schluss machen.«
    Er legte auf, bevor Juanita antworten konnte, und drehte sich um. »Möchten Sie noch Kaffee, Sir?«, fragte er.
    Crow schüttelte den Kopf. »Nein, danke. Mit wem haben Sie gerade gesprochen?«
    Ramon zögerte. In Gedanken formulierte er seine Antwort: Mit meiner Schwester, Sir. Sie glaubt, dass es einen Cyborg-Spion im Bunker gibt und dass McGovern, den Sie für einen Nationalheld halten, ihn deckt.
    Er räusperte sich: »Nur mit der Küche, Sir. Ihr Frühstück kommt in einigen Minuten.«
    »Mit der Küche?« Crow wirkte nicht, als würde er die Ausrede glauben. »Und mehr wollen Sie mir nicht sagen?«
    »Nein, Sir.«
    Ramon wandte sich nervös ab und stapelte seine bereits sorgfältig gestapelten Unterlagen. Er war sich sicher, dass ein Cyborg nie unbemerkt hätte eindringen können. Die Sicherheitsvorkehrungen waren viel zu streng.
    Seine Schwester irrte sich. Sie musste sich einfach irren.
    ***
    Honeybutts Augendeckel wogen schwer wie Blei, als das trockene Laubrascheln an ihr Ohr drang. Ein Teil von ihr wollte das Geräusch am liebsten ignorieren und weiter dösen, doch vom Überlebenswillen getrieben schüttelte sie den Schlaf ab und spähte aus dem Versteck hervor.
    Um sie herum herrschte tiefe Nacht. Trotz der Decke, die über ihren Schultern lag, fror sie erbärmlich. Ein nahes Rascheln ließ sie jedoch die Kälte vergessen. Das war mehr als ein paar Ähren, die sich im lauen Wind aneinander rieben. Da schlich jemand durch die Finsternis! Vielleicht ein Tier, wahrscheinlich eine oder mehrere Personen. Pales!
    Vorsichtig schob sie die Decke auseinander und hob den Armbruster an, der auf ihren Knien lag. Die untergeschlagenen Beine kribbelten ein wenig, aber auch das ignorierte sie.
    Honeybutts ganze Konzentration galt den Kriegern, die leise näher schlichen.
    Der bedeckte Himmel bot

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