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106 - Schatten des Krieges

106 - Schatten des Krieges

Titel: 106 - Schatten des Krieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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für Barbaren?«
    Crow lehnte sich in seinem Sessel zurück. Das uralte Leder der Rückenlehne knirschte unter der Berührung. »Der Präsident glaubt, dass eine Fortsetzung der Isolation in Anbetracht der gewaltigen äußeren Bedrohung falsch wäre«, sagte er mit sorgfältig vorbereiteten und gewählten Worten. »Er hofft, dass unsere Gegner ebenfalls zu dieser Erkenntnis kommen und als gleichberechtigte Verbündete unseres Landes den Kampf gegen die außerirdischen Aggressoren aufnehmen.«
    Gerner schüttelte den Kopf. Sein Doppelkinn und die fleischigen Wangen bebten. »Und was ist, wenn sie das nicht tun?«, fragte er. »Hymes will unbedingt von seinem Volk geliebt werden. Er möchte, dass sie zu ihm aufsehen und er in den Geschichtsbüchern in einem Atemzug mit Washington, Lincoln und Roosevelt genannt wird. Dabei vergisst er jedoch die Realität. Und die sieht so aus.« Er machte eine kurze Pause, bevor er fortfuhr. »Wir, General, sind ein kleines Volk, und niemand kann uns leiden. Das ist nun einmal so. Wir können nur überleben, wenn wir mächtiger und besser als alle anderen dort draußen sind. Damit das gelingt, müssen wir unsere Geheimnisse für uns behalten und unsere Eroberungen und Angriffe fortsetzen. Hymes versteht das nicht, und deshalb wird uns sein Kurs in die Katastrophe führen.«
    Er sprach eindringlich und zu laut. Der Whisky hatte seine Wangen gerötet.
    Crow sah ihn ruhig an. »Meine Truppen und ich haben einen Eid geschworen, die Verfassung und den Präsidenten um jeden Preis zu schützen und beiden loyal zu dienen. Das werden wir auch tun, egal, wohin er uns führt.«
    »Und wenn es der Präsident ist, der die Verfassung bedroht? Wem folgen Sie dann, General?«
    Crow brach den Blickkontakt ab. Er ahnte, was der Senator als nächstes sagen würde. Gerner enttäuschte ihn nicht.
    »Glauben Sie nicht, dass die Zeit des Folgens vorbei und die des Führens gekommen ist?«
    Der Satz hing wie eine Wolke zwischen ihnen. Schweigend drehte Crow das Whiskyglas zwischen seinen Fingern, schweigend beobachtete Gerner seine Reaktionen.
    »Sie sollten jetzt besser gehen, Senator«, war schließlich alles, was Crow sagte. Mit gesenktem Kopf beobachtete er, wie Gerner wortlos aufstand und den Raum verließ. Die Tür fiel.
    ins Schloss.
    Auf dem Wandmonitor blendeten die Experten erste Hochrechnungen ein, die eine mehr als siebzigprozentige Zustimmung für Hymes' neue Politik zeigten. Eine junge rothaarige Moderatorin las weitere Zahlen von einem Computerbildschirm ab. Crow blieb sitzen und sah ihrem lautlosen Kommentar zu. Der Whisky in seinem Glas schwappte träge auf und ab.
    ***
    »Es ist eigentlich sehr einfach«, sagte McGovern. »Eine mündliche Verwarnung erfordert keinen Aktenvermerk, außer sie erfolgt in Kampfsituationen und ersetzt eine schriftliche. Die Entscheidung darüber liegt bei Ihnen.«
    Er hatte eine dunkle männliche Stimme und sprach deutlich und präzise. Juanita saß neben ihm und betrachtete Übungsbögen, die sie längst auswendig gelernt hatte. Sie achtete darauf, dass ihre Schulter McGoverns Arm berührte. In der leeren Offiziersmesse gab es an diesem Morgen niemanden, dem das hätte auffallen können.
    »Muss ich meinen Vorgesetzten darüber informieren?«, fragte sie, obwohl sie die Antwort bereits kannte.
    »Dazu kommen wir jetzt.« McGovern zeigte auf den nächsten Abschnitt. Juanita bemerkte, wie kräftig und lang seine Finger waren. Sie sahen aus wie die eines Pianisten. Er konnte mit diesen Händen töten, hatte es wahrscheinlich sogar schon getan. Juanita war sich nicht sicher, ob sie den Gedanken erregend oder beängstigend fand.
    »Langweile ich Sie?«
    »Was?« Sie sah auf. McGovern hatte den Kopf zu ihr gedreht. Sein hartes, attraktives Gesicht gab keine Emotionen preis.
    »Nein, natürlich nicht«, sagte Juanita.
    »Sie sind sehr unkonzentriert.« McGoverns Atem roch nach Erdbeeren, was irgendwie seltsam war. Er hatte seine Kaffeetasse noch nicht angerührt, kaute nur ununterbrochen auf dem rosafarbenen Kaugummi in seinem Mund.
    Juanita holte tief Luft. Sein Blick machte sie nervös.
    »Eigentlich«, begann sie zögernd und fasste dann Mut.
    »Eigentlich bin ich sehr konzentriert, nur nicht auf einen Übungsbogen, den ich bereits kenne.«
    Er sah sie schweigend an. Der kleine Finger seiner rechten Hand strich über die Tischplatte.
    »Die Übung für die Offiziersprüfung war nur eine Ausrede, Sir. Ich brauche eigentlich keine Hilfe.«
    »Also haben Sie

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