1061 - Beherrscher des Atoms
Schleimdrüsen an ihren vorderen Fußpaaren würden einsetzen müssen, um voranzukommen. Eine ekelhafte Angelegenheit für zivilisierte Dargheten. Ganz davon abgesehen, daß die Schleimdrüsen sich weitgehend zurückgebildet hatten, weil sie infolge zivilisatorischer Hilfsmittel kaum noch gebraucht wurden.
„Ihr könnt auch bei mir bleiben, bis ich abgelöst werde, wenn ihr das lieber möchtet", sagte Kerpa-Lin.
„Nein, wir gehen schon", erklärte Kerma-Jo und setzte sich in Bewegung.
Sagus-Rhet folgte ihm, so gut es ging. Die Schleimdrüsen seines vorderen Fußpaars sonderten erstaunlicherweise genügend Schleim ab. Vielleicht war das ein weiterer Trick, den Menir-Hal bei der Programmierung des Simultanspiels angewandt hatte.
Langsam schoben sie sich an Kerpa-Lin vorbei und den Pfad entlang. Als sie eine Lichtung erreichten, in die eine Vertiefung gegraben war, die sich mit schlammigem Wasser gefüllt hatte, wälzte Kerma-Jo sich wohlig darin und wartete auf Sagus-Rhet.
„So primitiv hätte ich mir das Leben unserer Vorfahren nicht vorgestellt", flüsterte er, als Sagus-Rhet ihn eingeholt hatte und neben ihm badete. „Ich hatte gedacht, daß die Wege entweder mit Fluorplastik beschichtet oder wenigstens ständig mit enthärtetem Wasser überspült wären, wie die in unseren Erholungsgebieten."
„In dieser Zeit kennt man offenbar noch keine Kunststoffe", erwiderte Sagus-Rhet. „Au!
Etwas hat mich gebissen! Hilfe!"
So schnell er konnte, stieg er aus der Vertiefung, gefolgt von seinem Partner. Auf dem Pfad krümmte er sich zusammen und versuchte, einen Blick auf die schmerzende Körperstelle zu werfen. Doch sie befand sich zu weit hinten und deshalb außerhalb seiner Blickwinkel.
„Ich sehe es!" rief Kerma-Jo. „Es ist eine Art Wurm, buntgefärbt und mit Längsstreifen auf dem Rücken. Etwa eine Viertel Längeneinheit groß - und er schwillt an. Sagus-Rhet, ich fürchte, er saugt dein Blut."
„Was kann das nur sein", jammerte Sagus-Rhet. „Ich habe nie von solchen Untieren gehört. Kannst du ihn nicht abreißen?"
„Meine Fühler sind zu schwach", erklärte Kerma-Jo. „Wir brauchen ein paar Tripliden."
„Hilfe!" schrie Sagus-Rhet. „Hilfe! Schickt uns Tripliden!"
„Ich habe versucht, ihn durch eine Manipulation seiner Materie zu betäuben", keuchte Kerma-Jo. „Es geht nicht. Ich bin kein Materie-Suggestor mehr." Er hob die Stimme.
„Helft! Mein Partner wird von einem Tier ausgesaugt!"
Sagus-Rhet spürte, daß er schwächer wurde. Es war ein Schock für ihn. Aber der Schock bewirkte, daß er sich auf die Fähigkeit besann, die alle Dargheten besaßen, nämlich, Lebewesen mit geringerer Intelligenz suggestiv zu beeinflussen.
Er hörte auf zu jammern und konzentrierte sich mit dem psionischen Teil seines Gehirns ganz auf das fremdartige Tier. Zuerst bekam er keinen Kontakt, bis er merkte, daß das Tier nicht über Intelligenz verfügte, sondern nur von Instinkten gesteuert wurde. Als er das einmal wußte, fiel es ihm leicht, das Verhalten des Tieres über seine Instinkte in den Griff zu bekommen.
Es löste sich von ihm, fiel auf den Boden und wollte mit zuckenden Bewegungen gerade wieder ins Wasser zurückkriechen, als einige Tripliden eintrafen. Entsetzt sah Sagus-Rhet, daß die Tripliden sich auf das Tier stürzten und es förmlich zerrissen. Ein Schwall von Blut ergoß sich aus dem zerfetzten Körper auf den Boden.
Sagus-Rhet verlor das Bewußtsein.
Als er wieder zu sich kam, war er von drei fremden Dargheten umringt. Tripliden krochen auf seinen Rücken und gössen Wasser aus Beuteln über ihn.
„Wie fühlst du dich?" fragte ein Darghete. „Du warst von einem Egel angefallen worden."
„Die Bißstelle blutet noch immer!" rief Kerma-Jo aus dem Hintergrund.
„Das schadet nichts", sagte ein fremder Darghete. „Die Blutung wird bald aufhören."
„Ihr habt es getötet", sagte Sagus-Rhet, zitternd vor Abscheu.
„Wir töten alle Egel", erklärte jemand. „Uns Erwachsenen können sie zwar nicht gefährlich werden, aber die kleineren Kinder sterben oft am Blutverlust. Gibt es bei euch keine Blutegel?"
„Nein", antwortete Sagus-Rhet matt.
„Kommt!" sagte ein weiterer fremder Darghete. „Wir bringen euch in unsere Stadt. Dort könnt ihr euch im Badehaus säubern und ausruhen."
*
„So schlecht ist es hier gar nicht", meinte Kerma-Jo und streckte sich im warmen Wasser des aus Ziegeln gemauerten Badebeckens.
„Sie haben den Egel getötet", erwiderte Sagus-Rhet
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