1067 - Er killt für den Satan
Fenster, die an dieser Seite noch im Schatten lagen und deshalb dunkler als normal aussahen.
In seiner Umgebung bewegte sich nichts. Auch aus dem Haus hörte er keine Stimmen. Die letzten Schritte legte er schnell und so gut wie lautlos zurück, dann blieb er gegen die Hausmauer gepreßt zwischen zwei Fenstern stehen.
Abwarten, ruhiger werden. Nichts hatte sich verändert. Erst jetzt, als er sich konzentrierte, hörte er auch den Gesang der Vögel. Ein schwacher Wind brachte den Geruch von frisch geschnittenem Gras an seine Nase.
Sonst nichts. Keine Gefahr. Kein Geruch, der im gefährlich werden konnte, und so schob er sich dicht an der Hauswand entlang weiter, um den Eingang zu erreichen.
Er lag an der schmalen Hausfront. Beim Vorbeifahren hatte er ihn kurz gesehen und auch die dreistufige Treppe erkannt, die zur Haustür führte.
Ryback hatte nicht alles wahrgenommen. Denn als er um die Ecke schaute, sah er das abgestellte Fahrrad.
Er zuckte wieder zurück. Seine glatte Stirn bekam Falten. Wem gehörte das Rad? Dem Pastor, einem Besucher? Oder war es nur einfach abgestellt worden?
Ryback war mißtrauisch. Er mißtraute allem und jedem, und er richtete sich innerlich auf einige Schwierigkeiten ein, mit denen er zuvor nicht gerechnet hatte.
Abwarten. Die Ruhe bewahren. Zunächst einmal nichts tun. Nur beobachten und alles auf sich einwirken lassen. Das weitere würde sich schon finden.
Zunächst passierte nichts. Es gab keinerlei Veränderungen. Aus dem Haus hörte er keine Stimmen, überhaupt keine Geräusche.
Trotzdem bezweifelte er, daß es leer war. Sein Gefühl sagte ihm, daß er jemand finden würde, und mit einem langen Schritt überwandt er die drei Stufen der Treppe und blieb dicht vor der Tür stehen.
Natürlich war sie geschlossen, aber sie bildete kein Hindernis für ihn.
Aufbrechen oder nicht?
Er entschied sich dagegen, weil er so wenig Spuren wie möglich hinterlassen wollte. Er wollte das Haus normal betreten, den Geistlichen sogar zur Tür holen. Rechts vor ihm zeichnete sich der helle Knopf der Klingel in der Tümische ab.
Bevor er ihn drückte, griff er unter die Jacke und holte seine Waffe hervor. Dieses spitze Messer mit dem geriffelten Holzgriff. Es war perfekt.
Dann erst schellte Ryback.
Den Ton hörte er deutlich. Ein schrilles Signal, wie er es in einem derartigen Haus nicht vermutet hätte. Dieser Klang weckte auch Schläfer auf.
Nichts geschah zunächst. Keine Schritt, kein Öffnen der Tür. Ryback blieb allein auf der letzten Stufe stehen und starrte das dunkle Holz vor sich an.
Er ärgerte sich. Wenn der Pfarrer nicht im Haus war, mußte er sich etwas anderes einfallen lassen.
Es war nicht nötig. Die Tür wurde aufgezogen.
Ein Mann stand vor ihm.
Groß, dunkelhaarig. Ein weißes Hemd bedeckte seinen Oberkörper. Er trug eine schwarze Hose, lächelte und schaute Ryback dabei genau ins Gesicht.
»Guten Tag. Bitte, was kann ich für Sie tun?«
Der Pfarrer hatte eine angenehme Stimme, was Ryback nur am Rande wahrnahm und was ihn auch nicht interessierte. Sehr freundlich fragte er: »Sind Sie der Pfarrer hier?«
»Ja, ich bin James Draxton und…«
»Sehr gut.«
»Wieso?«
»Deshalb.« Mehr sagte Ryback nicht. Den rechten Arm hatte er während des kurzen Gesprächs dicht an seinen Körper gepreßt gehabt. Jetzt löste er ihn und damit auch die Hand.
James Draxton schaute hin. Er schaute zu. Er sah alles wie zeitverzögert. Unglauben stahl sich in sein Gesicht, als vor ihm die Hand mit der langen Spitze auftauchte.
Ryback stach zu.
Direkt hinein in den Hals des Pfarrers bohrte sich das Messer!
***
Sie saßen sich am Tisch gegenüber. James Draxton, der Pfarrer, und Julia Sanders, die junge Frau im weißen Sommerkleid, die den Kopf gesenkt hielt und ab und zu durch ihr dunkelblondes, glattes Haar strich.
Sie weinte. In der rechten Hand hielt sie ein Taschentuch, mit dem sie immer wieder ihre Augen abtupfte.
Es hatte lange gedauert, bis sie sich zu dem Entschluß durchgerungen hatte. Schließlich hatte sich ihr Gewissen so stark gemeldet, daß ihr nichts anderes mehr übriggeblieben war. Und Pfarrer Draxton war ihrer Meinung nach die richtige Anlaufstelle gewesen.
Sie hatte ihm alles gebeichtet. Sie hatte ihm von ihrer wilden Zeit in London berichtet, nachdem sie ihren Heimatort verlassen hatte, weil es ihr dort zu langweilig und fad geworden war. Sie hatte ihm erzählt, was alles in London passiert war. Wie sie andere Leute kennengelernt hatte und dabei in
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