1067 - Er killt für den Satan
bringt mich auch nicht weiter.«
»Warum nicht?«
»Wovon soll ich leben? Wovon soll ich meinen kleinen Sohn ernähren?«
»Was ist mit deinen Eltern und deinen beiden Geschwistern?«
Julia Sanders verzog den Mund, und so erhielt das Gesicht einen bitteren Zug. »Ich glaube nicht, daß sie mich noch aufnehmen würden. Sie haben mit mir ebenso gebrochen, wie ich mit ihnen. Die weisen mich ab.«
»Nein, Julia, das kann ich nicht glau-, ben.«
»Doch, Mr. Draxon, doch. Sie kennen meinen Vater nicht. Der hat es als persönliche Niederlage hingenommen, daß ich mein Zuhause verlassen habe. Von ihm kann ich keine Unterstützung erwarten, und meine Mutter tut immer das, was er sagt.«
Der Pastor griff über den Tisch hinweg und streichelte Julias Hand. »Wie wäre es denn, wenn ich mal mit ihm rede?«
»Mit meinem Vater?«
»Ja - oder mit beiden Elternteilen.«
Sie schaute ins Leere. Dann hob sie die Schultern. »Ich weiß nicht, ob das Sinn hat, Mr. Draxon. Mein Vater ist einfach zu borniert. Er kann nur schienenartig denken. Der ist überhaupt nicht flexibel. Erst recht nicht, wenn es um seine eigene Familie geht. Manchmal kam er mir vor wie ein Tyrann. Auch seinetwegen bin ich damals abgehauen. Ich glaube nicht, daß Sie diesen Stein erweichen können.«
»Aber ich kann es doch versuchen.«
»Ja, natürlich. Muß ich denn dabeisein?«
»Das überlasse ich dir, Julia. Besser wäre es schon. So gern ich dir auch helfen möchte, aber ich muß dir auch sagen, daß du kein Kind mehr bist. Du mußt schon bereit sein, einen Teil Verantwortung zu tragen.«
Sie senkte den Kopf und schaute auf die Tischplatte. »Das weiß ich. Ich bin auch bereit dazu. Es ist nur schwer für mich, hier eine Arbeit zu finden. Außerdem weiß ich nicht, ob meine Eltern bereit sind, das Kind bei sich aufzunehmen.«
James Draxon lächelte. »Wenn sie es erst einmal gesehen haben, sieht die Sache oft ganz anders aus.«
»Meinen Sie?«
»Davon bin ich sogar überzeugt.«
Sie faßte nach der auf dem Tisch liegenden Zigarettenschachtel. Im Ascher lagen schon drei Kippen, an denen blaßrote Lippenstiftspuren klebten. Sie holte mit leicht zitternden Fingern eine Zigarette hervor, zündete sie an und saugte den Eauch tief ein.
James Draxon ließ ihr Zeit, um nachdenken zu können. Er wußte, wie schwierig es war, wenn sich ein Mensch in einer derartigen Situation befand. Da konnten Worte nur ein Wegweiser sein, die Entscheidung mußte die Person allein treffen.
Halb aufgeraucht drückte Julia den Glimmstengel wieder aus. Sie nickte.
»Du hast dich entschlossen?«
»Das habe ich.«
»Ich bin gespannt.«
»Ich werde auf Ihren Vorschlag eingehen. Ich möchte, daß Sie mit meinen Eltern sprechen, Mr. Draxon. Und ich werde auch dabeisein. Da muß ich durch.«
»Gratuliere.« Er reichte ihr die Hand.
»Warum?«
»Weil nicht jeder Mensch so mutig ist wie du.«
Sie winkte ab. »Ach, hören Sie auf. Mir ist verdammt schlecht, wenn ich daran denke. Wann sollen wir denn hingehen?«
»So bald wie möglich, Julia. Wenn du willst, können wir es heute noch tun.« Ihr Erschrecken war echt. Röte schoß in das blaß gewordene Gesicht. »Das kommt überraschend und…«
Da schellte es, und nun saß auch der Pfarrer bewegungslos auf seinem Platz. Er war überrascht, denn Besuch hatte sich nicht angemeldet. Julia fragte dann auch: »Erwarten Sie noch jemand, Mr. Draxon?«
»Nein, eigentlich nicht. Es kommt natürlich vor, daß hin und wieder jemand klingelt, um mich um Rat zu fragen…«
»Was ist, wenn er mich hier sieht?«
Der Pastor stand auf. »Er wird dich hier nicht sehen, Julia.« Draxon deutete auf eine zweite Tür. »Dahinter liegt die kleine Küche. Du wirst dort eine Tür finden. Das ist der Hinterausgang. Ich überlasse dir, ob du warten oder erst einmal verschwinden willst. Klar?«
»Ja, danke.« Julia Sanders huschte auf die Tür zu und war wenig später verschwunden.
Der Geistliche stand auf. Er wunderte sich tatsächlich, daß geklingelt worden war, aber er mußte öffnen. Wer immer dort draußen stand, er kannte sich aus und wußte, daß er im Haus war.
Nach dem zweiten Klingeln ging er zur Tür. Er war ahnungslos. Er rechnete mit nichts Bösem. Weshalb auch?
Dann öffnete er die Tür.
Der Fremde stand vor ihm.
Er sah in das Gesicht, die Augen, alles nur für Momente, und genau in dieser Zeitspanne stieg die Angst in ihm hoch, die er keine Sekunde länger spürte, denn etwas raste auf seinen Hals zu. Kurz nur erwischte
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