1075 - Horror auf Mallorca
wollte. Bloch wußte auch, daß der junge Streiter nicht allein stand, denn John Sinclair war ebenfalls auf der Insel eingetroffen. Diese Tatsache konnte ihn nicht beruhigen, was ihn wunderte. Ansonsten besaß John Sinclair schon einen großen Vorschuß an Vertrauen.
Er schaute aus dem Fenster. Die heiße Luft draußen war für ihn weniger zu spüren als zu sehen. Sie stand dort, sie waberte, und die Sonne brachte immer mehr Nachschub. Manchmal zogen auch Staubfahnen durch die Gassen oder schmalen Straßen, wobei sie bis zu den Hausdächern wallten.
Er drehte sich wieder weg. Schloß die Vorhänge von innen bis auf einen schmalen Spalt. Der Abbé wollte nicht im hellen Licht sitzen. Es würde ihn bei seinen Gedanken stören. Er brauchte das Dämmerlicht, auch eine gewisse Stille, um sich konzentrieren zu können.
Wieder nahm er an seinem Schreibtisch Platz. Den Würfel hatte er ebenfalls mitgenommen. Wie so oft lag er auf dem Tisch vor ihm, und der Abbé legte beide Hände um ihn.
Er wartete auf ein Zeichen. Er wollte etwas fühlen. Etwas mußte doch zu ihm dringen. Der Würfel war bisher immer der große Warner gewesen, aufgrund seiner Emotionen hatte er Godwin nach Mallorca geschickt. Diesmal hatte er Pech.
Der Würfel blieb stumm. Nichts bewegte sich in ihm. Er entdeckte keine Schliere, die eine Nachricht transportiert hätte. Das wiederum beruhigte ihn auch nicht. Es machte die Sache nur noch schlimmer. Der Abbé konnte sich sehr gut vorstellen, daß etwas ablief, mit dem er auf keinen Fall konfrontiert werden sollte.
So blieb er hinter seinem Schreibtisch sitzen, die Hände um den Würfel gelegt, über ihn hinwegschauend, den Blick dabei auf einen bestimmten Gegenstand fixiert.
Es war der Knochensessel!
Der Abbé wußte selbst nicht, weshalb ihn der Sessel so plötzlich interessierte. Es war ihm, als hätte jemand seinen Kopf zwischen unsichtbare Hände genommen und ihn so gedreht, daß er den Sessel anschauen konnte.
Er war da. Seine Knochen schimmerten hell. Aber sie ließen sich nicht auf eine Farbe reduzieren.
Mal sahen sie hell aus, dann wieder bräunliche und beige. Es hing mit dem Lichteinfall zusammen, und es mußte auch mit der inneren Kraft in Verbindung stehen, die den Knochensessel auszeichnete.
Er war sowieso etwas Besonderes. Über seine Herkunft hatte der Abbé oft genug nachgedacht und tat es auch immer wieder. Heute lenkte der Sessel seine Gedanken von diesem Thema weg. Bloch hatte einfach diese Ahnung, daß der Sitzplatz aus dem Skelett eines Menschen ihm eine Botschaft schicken wollte und deshalb die Funktion des Kreuzes übernahm.
Da war etwas. Der Abbé fühlte es. Eine Strahlung, eine Aura. Nicht sichtbar, sondern tief verborgen. Vielleicht in den Knochen, die eine Botschaft empfangen hatten.
Seit es das silberne Skelett des Hector de Valois nicht mehr gab, war der Sessel besonders wichtig geworden, weil von ihm jetzt die Zeichen von Warnungen ausgingen. Er war mit einer Botschaft gefüllt, die er nur dann abgab, wenn er es wollte.
Der Abbé ließ ihn nicht aus den Augen. Das Gesicht des Templers zeigte starke Anspannung. Die Augen hielt er leicht zusammengekniffen. Er hatte auch seine Sitzhaltung verändert. Jetzt wirkte er wie ein Mann, der jeden Augenblick aufspringen und starten konnte.
Bloch wußte, daß etwas passierte und dies mit dem Sessel zusammenhing. Und das wiederum hatte seinen Grund auf der Insel Mallorca.
In solchen Momenten ärgerte er sich darüber, daß er oft genug zur Passivität verdammt war. Er hätte es gern umgekehrt gehabt, aber er mußte abwarten.
Schon einmal hatte sich der Sessel »gemeldet«. Der Abbé war sicher, daß dies kein Einzelfall gewesen war. Er lauerte förmlich darauf, daß es sich wiederholte. Anzeichen darauf hatte er aufgrund seiner Sensibilität auffangen können.
Noch blieb er stumm. Kein Zeichen, daß etwas passierte, aber Bloch hatte Geduld.
Wieder vergingen Minuten. Er hatte sich jede Störung verbeten, abgesehen von einem Notfall. Der war bisher nicht eingetreten, und so blieb er allein.
Sein Blick erfaßte den Totenschädel. Für Bloch war er wichtig. Er war herausragend. Verbunden mit den beiden Schulterseiten wuchs er in der Mitte hervor.
Der Blick blieb daran haften - und es passierte etwas.
Praktisch ohne jede Vorwarnung flimmerte der Schädel auf. Über ihn hinweg rann das grüne Licht.
Ein schnelles, helles Zittern, das auch die Augenhöhlen erfaßte. Dabei blieb es nicht allein auf den Totenschädel
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